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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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er nur auf einen Knopf zu drücken oder einen Hebel zu drehen brauchte, wenn er etwas wollte, war es ein Genuß, etwas zu tun, was Geduld und Geschick erforderte.
    Er war fast fertig damit, den Stab zurechtzuschnitzen, als er plötzlich überrascht bemerkte, daß er sang - wahrhaftig sang! Es war, als wäre er von außen unvermutet auf sich selbst gestoßen und hätte sich bei einem offenen Unrecht ertappt. Schuldbewußt errötete er. Schließlich war er nicht hierhergekommen, um zu singen und sich des Lebens zu freuen, er war hierhergekommen, um weiterer Besudelung mit dem Unflat des zivilisierten Lebens zu entgehen, sich zu läutern, zu bessern und tätige Reue zu zeigen.
    Bestürzt erkannte er, daß er, in seine Schnitzerei vertieft, vergessen hatte, was nie zu vergessen er sich vor kurzem gelobt: die arme Filine und seine mörderische Lieblosigkeit gegen sie, die widerlichen Dutzendlinge, die wie Maden über das Mysterium ihres Todes gekrochen waren und mit ihrer Gegenwart nicht nur seine eigene Trauer und Reue, sondern die Götter selbst beleidigt hatten. Er hatte sich geschworen, es nie zu vergessen, nie aufzuhören, Buße zu tun. Und hier saß er nun kreuzfidel über seinem Bogenholz und sang, wahrhaftig, sang...
    Er ging ins Haus, öffnete die Senfbüchse und stellte Wasser zum Kochen auf.
    Eine halbe Stunde später erblickten drei erstaunte delta- minus Landarbeiter aus einer der Schneverdinger Bokanowskygruppen, die mit einem LKW nach Ebstorf unterwegs waren, auf der Höhe des Hügels vor dem verlassenen Leuchtturm einen jungen Mann, der, bis zum Gürtel nackt, sich mit einer Geißel aus geknoteten Stricken schlug. Sein Rücken war mit roten Querstreifen liniert, und von Strieme zu Strieme sickerte in dünnen Rinnsalen Blut. Der Fahrer hielt am Straßenrand und starrte ebenso wie seine beiden Gefährten mit offenem Mund auf das ungewöhnliche Schauspiel. Eins, zwei, drei - sie zählten die Hiebe. Nach dem achten unterbrach der junge Mann seine Selbstzüchtigung und lief an den Waldrand, wo ihm sterbensübel wurde.
    Dann nahm er wieder die Geißel zur Hand und drosch weiter auf sich ein. Neun, zehn, elf, zwölf...
    »Du lieber Ford!« flüsterte der Fahrer. Seine Dutzendlingsgefährten waren derselben Ansicht.
    »Ach, Förde doch!« stießen sie hervor.
    Drei Tage später waren, gleich Aasge iern bei einem Leichnam, die Reporter da.
    Über einem schwelenden Feuer aus grünem Holz getrocknet und gehärtet, war der Bogen fertig geworden. Der Wilde arbeitete jetzt an den Pfeilen. Dreißig Haselstöcke waren geschnitzt und getrocknet, an der Spitze mit einem scharfen Nagel, am anderen Ende sorgfältig mit Kerben versehen. Eines Nachts hatte er sich in die Geflügelfarm in Amelinghausen geschlichen und besaß nun Federn genug, um eine ganze Waffenkammer auszustatten. Als er eben beim Pfeile fiedern war, entdeckte ihn der erste Reporter.
    Lautlos tauchte er auf pneumatischen Sohlen hinter ihm auf. »Guten Morgen, Herr Wilder«, sagte er. »Ich vertrete den ›Stündlichen Funk-Anzeiger‹.«
    Wie von einer Schlange gebissen, sprang der Wilde auf und verstreute Pfeile, Federn, Leimtopf und Pinsel nach allen Richtungen.
    »Bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte der Reporter aufrichtig zerknirscht, »es war nicht meine Absicht...« Er tippte an seinen Hut, ein Aluminiumofenrohr, worin er seine Funkanlage trug. »Verzeihen Sie, daß ich ihn nicht lüpfe. Er ist ein bißchen schwer. Also, wie gesagt, ich vertrete den ›Stündlichen‹ -«
    »Was wollen Sie?« knurrte der Wilde. Der Reporter reagierte mit seinem einschmeichelndsten Lächeln.
    »Unsere Leser würden sich natürlich ungemein dafür interessieren -« Er neigte den Kopf mit einem fast koketten Lächeln zur Seite. »Nur ein paar Worte aus Ihrem Mund, Herr Wilder.« Und hurtig, mit einer Reihe ritueller Gebärden, entrollte er zwei Drähte, die mit der tragbaren Batterie verbunden waren, die er um seine Hüften geschnallt hatte, steckte sie gleichzeitig links und rechts in seinen Aluminiumhut, berührte eine Feder an der Krone: eine Antenne sprang senkrecht in die Höhe; er berührte eine zweite Feder, vorn an der Krempe: wie ein Springteufel schoß ein Mikrophon hervor und hing wippend fünfzehn Zentimeter vor seiner Nase; über die Ohren zog er ein paar Kopfhörer, drückte auf einen Schaltknopf links am Hut: von innen ertönte leises Wespengesumm; er drehte rechts an einer Scheibe: das Summen wurde unterbrochen von Keuchen und Knistern, Rülpsen und

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