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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Und er hatte sich geschickt aus den Schwierigkeiten herausgeredet. Alles in allem war es ein Triumph gewesen. Für eine gewisse Zeitspanne, irgendwann zwischen den Momenten des Schreckens, hatte er sich wieder lebendig gefühlt.
    Schwere Schritte im Flur deuteten darauf hin, dass Gladys mit seinem Vormittagstee in Anmarsch war. Sie trat ein, das Haupt gebeugt, um dem Türsturz auszuweichen, und mit dem Geschick eines Kolosses, der über eine unglaubliche Koordinationsfähigkeit verfügt, stellte sie Tasse und Untertasse ab, ohne dass der Tee auch nur die kleinste Welle schlug. Sie sagte: »Lord Vetinaris Kutsche Wartet Draußen, Herr.«
    Feucht war sich ganz sicher, dass Gladys’ Stimme neuerdings eine höhere Tonlage hatte.
    »Aber ich habe mich doch erst vor einer Stunde mit ihm getroffen! Worauf wartet die Kutsche?«
    »Auf dich, Herr.« Gladys machte einen Knicks, und wenn ein Golem so etwas tut, ist es nicht zu überhören.
    Feucht blickte aus dem Fenster. Eine schwarze Kutsche parkte vor dem Postamt. Daneben stand der Kutscher und rauchte in aller Ruhe.
    »Sagt er, dass ich eine Verabredung habe?«, fragte er.
    »Der Kutscher Sagte, Ihm Wurde Befohlen Zu Warten«, sagte Gladys.
    »Ha!«
    Gladys knickste erneut, bevor sie hinausging.
    Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, richtete Feucht seine Aufmerksamkeit wieder auf den Papierstapel in seinem Eingangskorb. Auf dem obersten Blatt stand »Protokoll der Tagung des Komitees für die Postfilialen«, aber es sah eher danach aus, als wäre es keine Tagung, sondern eine Wochung oder Monatung gewesen.
    Er nahm seine Teetasse in die Hand. Darauf waren die Worte gedruckt: »Du musst nicht verrückt sein um hier zu arbeiten aber es hilft!« Er starrte eine Weile darauf, dann griff er geistesabwesend nach einem dicken schwarzen Schreibstift und fügte Kommas vor »um« und »aber« ein. Außerdem strich er das Ausrufungszeichen durch. Er hasste dieses Ausrufungszeichen, seine manischverzweifelte Fröhlichkeit. Der Spruch bedeutete eigentlich: »Du musst nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten. Wir sorgen schon dafür, dass du es wirst!«
    Er zwang sich dazu, das Protokoll zu lesen, bis ihm bewusst wurde, dass er in purer Notwehr ganze Absätze ausließ.
    Dann widmete er sich den wöchentlichen Berichten der Bezirkspostämter. Danach breitete das Komitee für Arbeitsunfälle und medizinische Versorgung endlose Buchstabenwüsten aus.
    Hin und wieder warf Feucht einen Blick auf die Teetasse.
    Um neunundzwanzig nach elf machte der Wecker auf seinem Schreibtisch »Ping«. Feucht stand auf, schob seinen Stuhl unter den Schreibtisch, ging zur Tür, zählte bis drei, öffnete sie, sagte »Hallo, Tiddles«, während die betagte Katze des Postamts hereinmarschierte, zählte bis neunzehn, während die Katze einmal im Kreis durch das Zimmer spazierte, sagte »Tschüss, Tiddles«, während sie in den Korridor zurücktappte, schloss die Tür und begab sich wieder an seinen Schreibtisch.
    Du hast gerade die Tür für eine alte Katze geöffnet, die nicht mehr versteht, dass man um Dinge herumgehen kann, sagte er sich, während er den Wecker wieder aufzog. Das tust du jeden Tag. Glaubst du, dass sich ein geistig normaler Mensch so verhält? Gut, es hatte etwas Trauriges mitanzusehen, wie Tiddles stundenlang vor einem Stuhl stand und den Kopf dagegendrückte, bis jemand ihn zur Seite rückte, aber nun springst du jeden Tag auf, um für ihn den Stuhl zu verrücken. Das ist verrückt. Das passiert, wenn man einer ehrlichen Arbeit nachgeht.
    Ja, aber unehrliche Arbeit hätte mich fast an den Galgen gebracht!, protestierte er.
    Na und? Hängen dauert nur ein paar Minuten. Das Komitee für die Pensionsfonds dauert ein Leben lang! Es ist alles so langweilig! Du bist mit goldlichen Ketten gefesselt!
    Feucht fand sich in der Nähe des Fensters wieder. Der Kutscher aß gerade einen Keks. Als er Feucht sah, winkte er ihm freundlich zu.
    Feucht wäre fast vom Fenster zurückgesprungen. Hastig nahm er wieder Platz und verbrachte die nächsten fünfzehn Minuten damit, FG/2-Antragsformulare gegenzuzeichnen. Dann trat er auf den Flur, der sich am weiter entfernten Ende zur großen Halle öffnete, und blickte nach unten.
    Er hatte versprochen, die großen Kronleuchter zurückzuholen, und nun hingen beide wieder da und funkelten wie kleine Sternhaufen. Der große glänzende Postschalter schimmerte in polierter Pracht. Überall summte es vor zielstrebiger und im Großen und Ganzen effektiver

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