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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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leicht wieder los. Gedanken können nicht wieder zurückgenommen, nicht »ungedacht« werden. Keine Idee ist so absurd oder perfide, dass sie nicht in irgendeinem Hirn auf fruchtbaren Boden fallen würde. Und in Zeiten des
    Internets ist es selbst für die seltsamsten Meme (vielleicht sogar gerade für diese) leicht, sich auszubreiten.
    Besonders schlimm ist, dass auch bösartige Meme mutieren und sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Es ist technisch sehr aufwendig, eine Atombombe zu bauen - das schränkt die Ausbreitungsmöglichkeiten des Mems ein. Also bilden sich einfacher realisierbare Mutationen wie die sogenannte »schmutzige Bombe«. Sie besteht aus einem konventionellen Sprengsatz, der mit Plutonium oder Uran versehen ist. Explodiert er, entwickelt er zwar nicht die enorme Sprengkraft einer echten Atombombe, doch er sorgt ebenfalls für radioaktive Verseuchung.
    Die Erbauer der Atombombe ahnten, dass ihre Erfindung schreckliche Folgen haben könnte. Sie waren von Selbstzweifeln und Gewissensbissen geplagt. Der Physiker Leo Szilard, der schon 1933 die Möglichkeit einer Atombombe erkannte und gemeinsam mit Albert Einstein Präsident Roosevelt zu ihrem Bau aufgefordert hatte, versuchte noch 1945 mit aller Macht, ihren Einsatz zu verhindern. Er hatte korrekt vorhergesehen, dass die Zündung einer Atombombe ein Wettrüsten zwischen Ost und West auslösen und die Welt an den Rand der Zerstörung führen würde. Enrico Fermi, der den ersten Atomreaktor der Welt entwickelte, spekulierte darüber, dass die Zündung einer Kernwaffe die Atmosphäre in Brand setzen und die gesamte Erde vernichten könne. Robert Oppenheimer, der das »Manhattan Projekt« leitete und als »Vater der Atombombe« gilt, wurde nach dem Einsatz zu einem überzeugten Gegner von Kernwaffen und fiel dadurch in der amerikanischen Politik in Ungnade. In einem Interview sagte er später, er habe nach der ersten Kernwaffenzündung an eine Zeile aus der Bhagawadgita, dem Heiligen Buch der Hin-dus, denken müssen: »Jetzt bin ich der Tod geworden, Zerstörer der Welten.«
    Doch trotz aller Zweifel wurde die Bombe gebaut und eingesetzt. Warum? Wieso hatten sich selbst überzeugte Pazifisten wie Albert Einstein für die Verbreitung dieses schrecklichen Mems starkgemacht?
    Der wesentliche Grund war wohl ein Mem, das besonders oft eine Symbiose mit bösartigen Memen eingeht: »Wenn wir es nicht machen, dann macht es jemand anders.« Wir haben es bereits im Zusammenhang mit der Drogenherstellung kennengelernt. Dieses Mem ist der Grund, weshalb sich auch ein bösartiges Mem fast immer verbreiten kann. Da man niemals vollständig ausschließen kann, dass jemand anders einem bösartigen Mem zur Ausbreitung verhilft, sind damit praktisch alle Taten zu rechtfertigen. Konkret war es die nicht unberechtigte Sorge davor, dass Adolf Hitler eine Atomwaffe bauen könnte, die Einstein und andere veranlasste, dieses Projekt selbst in die Hand zu nehmen.
    Als das »Manhattan-Projekt« beendet war und die erste Atombombe gezündet wurde, war längst klar, dass die USA das Rennen gegen Nazideutschland gewonnen hatten. Man hätte die Entwicklung einstellen, die Unterlagen vernichten und der Welt ein jahrzehntelanges Balancieren am Abgrund ersparen können. Aber natürlich lief es anders. Meme entwickeln oft eine Eigendynamik, die kaum zu stoppen ist. Viel zu viele Politiker und Militärs waren von der Macht der Bombe fasziniert; kaum einer wollte darauf verzichten. Es mag auch hier wieder das Argument eine Rolle gespielt haben, dass jemand anders früher oder später die Bombe erneut entwickeln würde - immerhin war jetzt bewiesen, dass es innerhalb weniger Jahre möglich war. Amerika wäre diesem Feind schutzlos ausgeliefert gewesen.
    Der Einsatz der Bombe über Hiroshima und Nagasaki geschah sicherlich auch, weil man den Krieg so schnell wie möglich beenden und das Leben vieler US-Soldaten retten wollte. Allerdings fanden die Atombombenabwürfe zu einem Zeitpunkt statt, als Deutschland bereits kapituliert hatte und Japan am Rande der Niederlage stand. Kritiker haben immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Machtdemonstration, beispielsweise der Abwurf über unbewohntem oder dünn besiedeltem Gebiet, wahrscheinlich ausgereicht hätte, um die japanische Führung zur Kapitulation zu zwingen. Zumindest hätte man dies versuchen können, bevor man die Bombe tatsächlich über einer japanischen Großstadt einsetzte.
    Der Verdacht liegt nahe, dass der

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