Schottisches Feuer
Aufregung bei, das den Saal erfüllte.
»Das muss Eure Tochter sein«, sagte ein Mann.
Automatisch wandte Jeannie sich um, damit sie den Neuankömmling begrüßen konnte, und ihr Blick begegnete den funkelnden grauen Augen eines vornehm aussehenden Gentlemans mittleren Alters, vielleicht ein paar Jahre älter als ihr Vater mit seinen achtundvierzig Jahren. Er war klein, nicht viel größer als sie selbst mit ihren fünf Fuß und ein paar Zoll, und hatte die Statur eines Fasses. Sein weißes Haar hatte sich gelichtet, und der Haaransatz wich an der Stirn zurück, doch diesen Verlust machte er weiter unten im Gesicht mehr als wett. Sein beeindruckender Schnurrbart war lang und dicht und ringelte sich an den Enden zu zwei perfekt geformten Spitzen. Er erinnerte sie an einen Seelöwen, allerdings ohne dessen Verdrießlichkeit. Das heitere Lächeln auf seinem Gesicht strafte jeden derartigen Gedanken Lügen.
» Aye «, antwortete ihr Vater. »Meine älteste Tochter, Jean.« Ihr Vater wandte sich zu ihr. »Tochter, ich möchte dir gerne einen alten Freund vorstellen, den Laird of Menzies.«
Menzies. Castle Menzies lag in Perthshire, in der Nähe des Ortes, wo ihre Mutter aufgewachsen war.
»Nicht zu alt, um ein schönes Mädchen zu bewundern«, lachte der Laird glucksend und nahm mit einer galanten Verbeugung ihre Hand. Kopfschüttelnd sagte er sanft: »Dieses Haar würde ich überall wiedererkennen.«
Instinktiv versteifte Jeannie sich und wappnete sich gegen das, was als Nächstes kommen würde. Einer Bemerkung über ihr Haar folgte unweigerlich ein wissendes Kopfschütteln und das unvermeidliche »genau wie ihre Mutter«. Als wäre rotes Haar ein untrügliches Anzeichen für ein lebhaftes und abenteuerlustiges – wenn auch gelegentlich unüberlegtes – Temperament.
Sie war nicht die Einzige, die die Bemerkung des Laird of Menzies getroffen hatte. Ihr Vater verkrampfte sich ebenfalls.
Doch statt einer subtilen Spitze sagte der alte Laird zu ihrer Überraschung: »Eure Mutter konnte mit ihrer Schönheit und ihrem Lächeln einen Raum erhellen. So viel Energie, so viel Licht. Sie war wie ein frischer Wind, Eure Mutter.« Wehmütig lächelnd schüttelte er den Kopf. »Ich war betrübt zu hören, dass sie von uns gegangen ist.« Er begegnete Jeannies Blick, und die Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Ich habe niemals wieder jemanden wie sie getroffen, aber wie ich sehe, habt auch Ihr etwas von dieser Energie an Euch.«
In seiner Stimme lag keine Spur von Feindseligkeit, die eine andere Bedeutung vermuten ließe, und als sie ihm in die Augen sah, entdeckte sie nichts als Güte.
Sie errötete und murmelte einen schnellen Dank. Es war so lange her, dass jemand etwas Nettes über ihre Mutter zu ihr gesagt hatte, dass sie nicht wusste, was sie darauf antworten sollte. Sie wurde so oft an das Schlechte erinnert, dass sie das Gute dabei vergaß.
Die Erinnerung an ihre Mutter war nur schwach und bruchstückhaft. Ihr perlendes Lachen. Der Duft nach Rosenwasser und den französischen Wein aus der Champagne, den sie liebte. Das dichte kastanienbraune Haar, das Jeannies Haar so ähnlich war und im Kerzenlicht flammend rot leuchtete. Die wunderschönen Ballkleider, die die englische Königin Elizabeth vor Neid hätten erblassen lassen.
Janet Grant hatte den Hof des jungen King James in Holyrood Palace geliebt, und sie war nicht gerne in die unwirtliche »Wildnis« der Highlands zurückgekehrt – also hatte sie es vermieden. Sie war wie ein wunderschöner Schmetterling immer wieder in und aus Jeannies Leben geflattert.
Flattern, das war ein gutes Wort dafür. Ihre Mutter hatte niemals einen Weg verfolgt, sondern hatte sich stets nur von ihren Launen leiten lassen. Aus einer Laune heraus hatte sie geglaubt, in Grant, den Laird of Freuchie, verliebt zu sein, also hatte sie ihn geheiratet. Vier Kinder später, als ihr der Ehemann, den sie liebte, nicht mehr jeden kleinsten Wunsch von den Augen ablas, glaubte sie wiederum aus einer Laune heraus, in den »verdammtenEngländer« – einen anderen Namen hatte dieser Mann in ihrer Familie nicht – verliebt zu sein, also war sie mit ihm durchgebrannt.
Für Jeannie ließ der Schmerz über ihr Fortgehen niemals nach. Es hatte auch nichts geholfen, dass ihre Mutter es schnell wieder bereute. Der Schaden war bereits angerichtet. Donald Grant weigerte sich, sie zurückzunehmen. Die Liebe, die er für seine Frau empfand, hatte dem Schlag, den sie seinem Stolz versetzt hatte,
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