Schrei in der Nacht
mit einem Heftpflaster festgehalten wurde.
Die Nadel war durch einen Schlauch mit einer Flasche verbunden, die von
der jungen Frau über seinem Kopf hochgehalten wurde. »Was
tue ich hier?« fragte er sie und richtete sich auf. Dabei zog er
an dem Schlauch, so daß sie hastig vortreten mußte.
»Was tue ich hier?« fragte er noch einmal.
Die Augen der Frau waren groß von Angst und
voller Tränen. »Bitte, legen Sie sich wieder hin«, bat
sie ihn. »Sie müssen liegenbleiben.«
Ein kurzes Schweigen trat ein, und Fallon hörte
plötzlich, wie der alte Mann im Nebenzimmer sagte: »Ja, er
ist jetzt hier… Nein, nicht mehr gefährlich, Sie
Dummkopf… Doch, ich bin sicher, daß es Martin Fallon
ist!« Nach einer kurzen Pause setzte der alte Mann noch hinzu:
»Schicken Sie so schnell wie möglich einen Krankenwagen, und
wenn Sie innerhalb einer halben Stunde keinen auftreiben können,
schicken Sie gleich einen Leichenwagen! Er liegt nämlich im
Sterben!«
In der schrecklichen, lautlosen Stille, die diesen
Worten folgte, schüttelte Fallon unbeholfen den Kopf von einer
Seite zur anderen, während ihm große Tränen langsam aus
den Augen sickerten. »Nein«, flüsterte er, »ich
sterbe nicht – ich will nicht sterben! Ich will nach
Hause!«
Er stand plötzlich auf, riß
seinen Arm los, und die Nadel, die aus seinem Fleisch gezerrt wurde,
hinterließ eine breite rote Blutspur auf seiner weißen
Haut. Sein blutiges Jackett lag auf dem Boden; er ließ sich auf
die Knie nieder und suchte in den Taschen, bis seine Hand sich um den
Knauf der Pistole krampfte. Als der Arzt wieder den Raum betrat,
richtete sich Fallon auf. Der alte Mann breitete die Arme aus und
versperrte die Tür, aber Fallon drohte: »Gehen Sie aus dem
Weg! Ich liege nicht im Sterben! Ich muß noch eine Verabredung
einhalten. Ich muß Anne wiedersehen!«
»Sie sind krank«, beschwor ihn der alte Mann. »Sie müssen sich hinlegen!«
Fallon richtete die Pistole auf den Arzt. »Gehen
Sie aus dem Weg«, befahl er rauh, »und wenn ich daran
sterben muß, ich gehe doch nach Doone.«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Sie werden
nicht einmal bis zum Tor kommen!« Einen Augenblick starrte er in
Fallons Gesicht, und in seinen Augen lag tiefes Mitleid; dann trat er
zur Seite. Fallon torkelte hinaus in die Halle, riß die
Eingangstür auf und wankte den Weg entlang.
Sein Wagen sprang sofort an. Fallon fuhr schnell aus
der Nähe jenes weißen Lichtes, hinein in die Dunkelheit und
in den Regen, der über seiner letzten Reise lag. Sein Geist war
wieder klar, und er konnte zusammenhängend denken. Er bemerkte
plötzlich, daß er noch immer die Pistole in der rechten Hand
hielt. Das war unbequem und störte ihn beim Fahren. Mit einer
beiläufigen Bewegung, ohne weiter zu überlegen, warf er sie
aus dem Fenster in die Nacht hinaus. Sein Oberkörper war nackt bis
auf den Verband, doch fühlte er keine Kälte und
verspürte kein Unbehagen. Er war auf dem Weg nach Hause, und Anne
erwartete ihn; das war das einzige, was jetzt noch wichtig war.
Der Regen war zu einem schweren Guß geworden,
und das Wasser floß in Strömen über die
Windschutzscheibe, so daß er kaum noch etwas vor sich sehen
konnte. Aber das machte nichts mehr aus. Nichts war jetzt noch wichtig,
nichts war mehr zu befürchten. Er war auf dem Weg nach Hause, und
nichts durfte ihn noch aufhalten – er mußte seine
Verabredung einhalten.
An der rechten Seite tauchte ein Haus
auf, dann ein zweites und noch eins. Fallon befand sich auf einer
kleinen Erhebung und fuhr in eine flache Senke hinunter, die auf beiden
Seiten von Häusern umsäumt war. Da wußte er, daß
er sich in Doone befand. Im Tal riß er das Lenkrad herum und bog
in eine lange, von Bäumen flankierte Allee ein. Dort hinten, weit
am Ende, lag unter strahlendem Flutlicht die Grenzstation.
Er verspürte keine Furcht, denn es gab nichts
mehr, wovor er sich hätte fürchten müssen. Er würde
durchbrausen, und nichts würde ihn noch aufhalten können.
Keiner würde ihm mehr in den Weg treten, denn sie würden
seine Absicht kennen… Unter dem Vorbau der Grenzstation stand
ein Mann in einem schweren Regenmantel. Fallon stoppte den Wagen in
einiger Entfernung und wartete.
Sein Geist war nicht länger ein Teil seines
Körpers, sondern befand sich irgendwo hoch oben im Regen und
schaute auf die kleine Grenzstation und die Männer darinnen herab.
Der Mann im blauen Regenmantel kam von dem Vorbau her auf ihn zu,
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