Schreien staerkt die Lungen
wird das Medikament Ritalin, das bei einem tatsächlich vorliegenden ADHS in Ordnung ist, aufgrund einer Fehldiagnose und dem Wunsch nach »Ruhigstellung« verordnet!
AUS DER PRAXIS
Kein neues Phänomen
AD(H)S gab es wohl schon immer, wenn auch nicht unter diesem Namen: Heinrich Hoffmann, der Autor des 1845 erschienenen »Struwwelpeter«, war Arzt, auch für Jugendpsychiatrie. Er beschreibt in seinem Buch Kinder mit Auffälligkeiten, darunter Erscheinungsformen des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms. Den Zappelphilipp und den Hans Guck-in-die-Luft kannte man also schon damals! AD(H)S ist keine typische Krankheit der heutigen Zeit, keine »Modediagnose«, keine anerzogene Verhaltensstörung. Es ist aber in unserer leistungsorientierten Gesellschaft besonders schwer, damit klarzukommen, zumal Kinder in der Schule auf allen möglichen Gebieten etwas leisten müssen. Im Erwachsenenalter fällt ADHS nicht mehr so auf, da Betroffene sich ihre berufliche Nische suchen, kreativ-künstlerisch oder als Vertreter oder Verkäufer. Menschen mit ADHS sind offen und kommunikativ, sie gelten als sensibel und nicht nachtragend.
96 Kinder sind Tyrannen
»Ich komme mit Marvin einfach nicht mehr klar.« – »Tine macht, was sie will, und hört überhaupt nicht auf mich.« – »Meinen Sie, ich sollte mit Becky mal zum Kinderpsychologen?« Eltern, die sich Beratung in Erziehungsfragen wünschen, machen meist einen Termin ohne Kind aus, um mir ihr Leid zu klagen.
Oft geht es ums Thema Macht in der Familie: Ob Eltern ihr Kind pausenlos in einer Art Dauerkampf zurechtweisen oder es mit einer enttäuschten und entnervten Haltung »gewinnen lassen«, niemand ist damit glücklich. Den Kindern ist die Freude und Zufriedenheit genommen, die sie empfinden, wenn sie mit den Eltern im Einklang sind. Jedes Kind braucht das Gefühl, in der Familie aufgehoben und AKZEPTIERT zu sein. Den Eltern fehlt die Harmonie ebenso.
Kinder handeln in den Augen Erwachsener oft selbstsüchtig, unhöflich, unvernünftig und irrational. Sie sind aber keine Tyrannen – sie sind Kinder. Sie handeln kindlich und können (noch) nicht anders. Unordnung, überbordender Forschergeist, überschießende Energie, Träumerei, Trödeln, Nicht-Hören, Quengeln, Krach und Wutanfälle: So sehr uns das oft nervt, es ist normales kindliches Verhalten.
Thema neuerer Publikationen ist eine nicht so neue Theorie: Ein Kind sei von Natur aus böse und habe in der heutigen orientierungslosen Gesellschaft kaum eine Chance, gut zu werden. Kinder seien rein triebbestimmt und auf ihren Vorteil aus. Da müssten die Erwachsenen hart gegensteuern. Auf dieser Grundlage entwickelte sich schon in früheren Zeiten all das, was wir heute als SCHWARZE PÄDAGOGIK bezeichnen: Abhärtung, Unterordnung, Gefügigmachen bis hin zu körperlicher und seelischer Gewalt. Viele Eltern sagen mir, dass diese Theorie ihnen nicht hilft. Im Gegenteil: Sie werden argwöhnisch gegen die eigenen Kinder und fühlen sich zu einem Verhalten angeleitet, das ihnen nicht entspricht.
Ich lege Eltern eine andere Sichtweise nahe, die ebenfalls schon seit Längerem vertreten wird. Sie beinhaltet den Grundsatz, der Mensch sei von Natur aus gut und der Erzieher habe zur Aufgabe, dieses Gute zu erkennen und zu bestärken: durch Schaffen einer Atmosphäre, in der Gutes gedeihen kann. In der man authentisch ist, offen miteinander umgeht, einander vertraut und sich gegenseitig respektiert, den anderen annimmt. Ich empfehle auch gerne, Unterstützung zu suchen, etwa bei einer Erziehungsberatungsstelle oder durch den Besuch eines Elternkurses. Aus eigener guter Erfahrung rate ich zu personenzentrierten, nach der individuellen Problematik ausgerichteten Kursen wie dem »Gordon-Familientraining«. Ebenfalls empfehlenswert: der Kurs »Starke Eltern – starke Kinder«, den der Deutsche Kinderschutzbund anbietet (Adresse siehe > ). In einem solchen Kurs können Sie Ihre individuelle Situation betrachten. Sie bekommen Anstöße, den Umgangston in der Familie zu ändern und die Kommunikation zu verbessern. Ein Schwerpunkt liegt darauf, bei Konflikten Kompromisse zu finden, mit denen alle leben können. Dabei fühlt sich keiner als Verlierer.
Verhaltenszentrierte Kurse empfehle ich nicht. Da wird normales kindliches Verhalten mit Fehlverhalten gleichgesetzt, das bestraft werden soll. Wenn Sie bei einem Angebot kein GUTES GEFÜHL haben, lassen Sie es sein!
Wirken Sie darauf ein, dass Ihr Sprössling nicht Ihnen und anderen zur Plage
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