Schroders Schweigen
ihre streitlustigen Provinzpolitiker. Und es gab immer ein Mädchen – mal dieses, mal jenes –, und man lachte, und man machte sich lustig über die Touristen in der South Mall. Diese Beziehungen waren leicht und frei von Versprechen. Ich hatte ein Talent dafür, mir Frauen auszusuchen, die von Natur aus zum Glücklichsein neigten und ihre Enttäuschungen nicht auf mich projizieren würden. In meiner Freizeit arbeitete ich nach Lust und Laune an meinem Forschungsprojekt und spielte mit einem Haufen fremder Pflanzen auf einem Hügel, den uns das College of Saint Rose leihweise überließ, Fußball. Und was dann danach käme, vermutete ich, käme danach.
Ich wusste nicht, dass du das Danach sein würdest.
Du. Als ich dich zum ersten Mal sah, warst du dabei, einem Kind, das gerade vom Baum gefallen war, eine Schiene anzulegen. Etwa ein Dutzend anderer Kinder standen im Kreis um euch herum und sahen dir zu. Mittlerweile schrie der Junge so laut, dass niemand außer dir an ihn herankam. Ich hatte gerade Mittagspause, und der Lärm ging mir auf die Nerven, und ich stand auf und wollte gehen. Doch da fiel mein Blick auf dich. Pause. 1 Was war der Grund dafür, dass es klick machte? Was hattest du, was hatte der Moment, in dem du mir auffielst? War es die Art und Weise, wie du weiterhin so unaufgeregt dem Jungen das Handgelenk bandagiertest, obwohl er hysterisch war und um sich trat und schlug? Es war August. Heißer, elender Spätsommer. Später sollte ich erfahren, dass man dir vorwarf, mit zwanzig sozial benachteiligten Kindern aus Albany seit Juli durch Giftefeu gestiefelt zu sein. Du sahst aus, aus könntest du eine Dusche gebrauchen. Doch mein Blick blieb an dir hängen. In Gedanken schrubbte ich dich sauber, steckte dich in ein Sommerkleid, drückte dir ein Glas Chardonnay in die Hand und drehte mir dein Gesicht zu. Und so stand ich auf und ging auf dich zu, und ich bot dir meine Hilfe an und fragte mich, ob das Gefühl anhalten würde und ob sich noch zwei, drei weitere Augenblicke dieser Verzückung, die mich soeben gepackt hatte, aneinanderreihen ließen. Wer weiß schon, warum, Laura? Wer weiß schon, warum sich Sowieso in diesen verliebt statt in jenen? Stapelweise Gedichte haben sich über diesem Rätsel verausgabt. Will sagen, es tut mir leid, dass ich mir ausgerechnet dich ausgesucht habe. Ich glaube, mit diesem Dokument hier will ich dich auch zum Teil daran erinnern, dass das Ganze nicht völlig für die Katz war. Hör zu:
Waren wir kompatibel? Ich glaube, ja, eine Zeitlang waren wir sogar sehr kompatibel. Auch wenn du einen ziemlich spröden ersten Eindruck gemacht hast, hast du dich in einen einzigen großen Marshmallow verwandelt, sobald du entschieden hattest, dass ich ein anständiger Kerl war. Du konntest gar nicht anders. Bald brachtest du mir Bücher, losen Tee, kandierte Aprikosen mit. Beim Flirten warst du süß, fast betulich. Es war, als wärst du dein ganzes Leben von Männern abgeschottet gewesen und hättest mich nur so verführen können, als wäre ich selbst ein junges Mädchen.
Zwar warst du die echte Amerikanerin, ich aber war um Längen amerikanischer. Ich war spontaner. Ich war lässiger. In gewisser Hinsicht war ich noch immer der Eric Kennedy aus dem Ferienlager, eine Rolle, für die ich am Mune College üppig belohnt worden war, die jedoch, als ich auf die dreißig zuging, der Aktualisierung bedurfte. Mit dir zusammen reifte Eric Kennedy. Du warst vier Jahre jünger als er, aber darauf wäre niemand gekommen. Du warst pünktlich. Du warst verantwortungsvoll. Du warst bedachtsam. Du warst gesundheitsbewusst. Unterwegs hattest du nicht selten deine Tüten mit Studentenfutter dabei. Du warst leicht gekränkt. Es gab eine ganze Liste von gesellschaftlichen Fragen, die dich im Nu auf die Palme brachten (zum Beispiel fehlender Zugang für Behinderte zu öffentlichen Gebäuden). Kaum angeschnitten, trieben dir solche Fragen die Röte ins Gesicht. Du warst immer bereit zu höflichen, wenn auch angespannten Diskussionen. Es war, als wärst du im Lauf deines Lebens traumatisiert worden durch chronische Missverständnisse.
Wie schnell ich alle Verpflichtungen fallenließ, alle anderen Freundschaften, Clubs und Interessen. Ich hatte das Gefühl, dich trotz deiner Jugend zu lieben, als wäre ich dein Schüler, und daher war alles, was du tatest – egal wie unklar, egal wie spezifisch –, für mich das Richtige. Du hattest eine so behutsame Art, mit der Wahrheit umzugehen. Du wolltest,
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