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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Villas
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kleine Tochter
tot in meinen Armen lag. In genau zwei Tagen jährt sich diese denkwürdige Nacht
zum 11. Mal. Kein Wunder, dass ich jetzt daran denke…
    Es ist hinlänglich bekannt, dass Stillen nicht unbedingt vor
einer weiteren Schwangerschaft schützt, aber wie das manchmal so ist, wenn die
Hormone außer Kontrolle geraten, entstand mein drittes Kind, während der Zeit,
als ich mein zweites Kind noch stillte.
    Zur Geburt dieses Kindes schenkte mir mein damaliger Mann
das Video „Titanic“, das gerade auf dem Markt erschienen war. Obwohl die ganze
Welt von diesem Film begeistert war, fand ich ihn schrecklich. Die
Hauptdarstellerin Kate Winslett, die von ihrer Mutter einzig und allein dazu
erzogen wurde, um später gewinnbringend an einen reichen Mann verschachert zu
werden, verliebt sich in den armen, aber lebenslustigen Leonardo di Caprio. Der
erste Teil des Filmes geht ja noch gerade so, dann knallt das Schiff gegen den
Eisberg und ab da kann man einer gefühlten Endlosigkeit den Menschen beim
Ertrinken in der eiskalten See zuschauen.
    Während ich in der höchstsensibelsten Phase einer jeden
Frau, die gerade entbunden hatte, im Wochenbett liege und mein frisch geborenes
Baby in meinen Armen hielt, schaute ich zu, wie die junge russische Mutter mit
ihrem Baby auf dem Arm, auf dem bereits fast untergegangenen Schiff, an den
Kapitän herantritt und ihn fragt, wo sie hingehen kann. Alle Rettungsboote sind
schon auf See und mit traurigen Augen reicht ihr der Kapitän einen
Rettungsring.
    Ein paar Szenen später sah ich genau diese junge Mutter in
der eiskalten See treiben. In genau dem Rettungsring, den der Kapitän ihr
überreichte. Sie ist genauso tot, wie ihr Baby, welches sie immer noch in den
Armen hält. Das wächserne Gesicht des Babys brannte sich in mein Gedächtnis und
schockierte mich derartig, dass ich den Film sofort abschaltete und bis heute
nie wieder angeschaut habe und auch nie wieder anschauen werde.
    Sieben Monate später war ich ziemlich am Ende mit meiner
Kraft. Es war Mai und es lag ein kalter und sehr schneereicher Winter hinter
mir. Es lag so viel Schnee in unserer Straße, dass wir Anwohner nicht mehr vor
dem Haus parken konnten. Ich hatte zwei Windelkinder und ständig den vielen
Schnee zu schippen. Einkaufen war ein Abenteuer, denn ich brauchte zwei
Einkaufswägen. In einen setzte ich die Kinder und in den anderen die Waren.
Diese beiden Einkaufswägen schob ich dann durch denn tiefen Schnee, denn auch
die Parkplätze vor den Supermärkten wurden mit den Schneemassen nicht mehr
fertig.
    Meine Mutter, die nicht weit von uns wohnte, wollte nicht
auf meine Kinder aufpassen, während ich einkaufen ging und mein damaliger Mann
unterstützte mich, indem er 6 Tage die Woche bis spät in die Nacht hinein
arbeitete und am siebten Tage ruhen musste. Seine Familie war die Firma und zu
Hause wollte er sich entspannen.
    Als es endlich Frühling wurde, war ich müde, erschöpft und
ausgelaugt. Nur die Hoffnung auf einen schönen Sommer hielt mich aufrecht.
    Am Pfingstmontag um 2.05 Uhr in der Nacht setzte ich mich im
Bett auf und schaute auf die Uhr. Aufrecht und glockenhellwach, saß ich im Bett
und wunderte mich, warum ich gerade jetzt aufwachte. Es gab keinen Grund. Im
Haus war alles still. Mein Gatte lag nicht neben mir, er war wohl mal wieder
vor dem Fernseher in seinem Beschallungszimmer eingeschlafen.
    Eigentlich hätte ich wieder weiter schlafen können, aber da
ich schon mal wach war, konnte ich auch nach den Kindern sehen. Irgendwie
„musste“ ich das tun. So stand ich auf und schaute in ihre Zimmer. Alles ruhig.
Dann ging ich in das Zimmer meines inzwischen sieben Monate alten Kindes und
schaute in ihr Bettchen. Sie sah komisch aus, so wächsern… sofort hatte ich das
tote Baby aus dem Titanicfilm vor Augen.
    Als ich sie aus dem Bett hob und mir ihr Gesicht im Licht
des Flures genauer betrachtete, wurde ich noch wacher. Sie hatte genau dieses
wächsernes Gesicht und sie hing wie ein Sack in meinen Händen. Ich suchte ihren
Puls und fand ihn nicht. Ich testete ihre Reflexe, aber es bewegte sich nichts.
Ich ging mit ihr ins Bad, nahm einen Waschlappen, machte ihn mit kaltem Wasser
nass und legte ihn auf ihre nackten Hände und Füße. Sie zuckte nicht. Dann
legte ich ihr den nassen, kalten Waschlappen mitten ins Gesicht. Keine Regung.
    Ich nahm mein Baby auf den Arm und ging in das Zimmer, in
dem ich meinen Mann vermutete. Ich weckte ihn mit den Worten: „Steh auf und ruf
den Notarzt an.

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