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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Villas
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ich ihr, „die letzte Nacht
hab ich noch nicht ganz verdaut, aber meine Kleine lebt und ich bin echt froh
darüber.“
    „Das kannst du auch sein, denn ein anderes kleines Mädchen
in meiner Nachbarschaft hatte nicht so viel Glück.“
    „Was meinst du damit?“ fragte ich sie und erstarrte.
    „Heute Nacht ist ein 7 Monate altes Mädchen vermutlich am
Kindstod gestorben. Die Familiensituation ist genau dieselbe wie bei dir. Sie
war das dritte Kind und hatte noch zwei ältere Geschwister im gleichen Alter
wie deine. Als ich das von dir gehört habe, dachte ich erst, die hätten
irgendetwas verwechselt, aber es stimmt.“
    Mir wich das Blut aus der Haut.
    „Weiß man schon um wie viel Uhr dieses Baby gestorben ist?“
fragte ich mit trockener Zunge.
    „Irgendwann morgens. Es war noch warm, als die Mutter es
fand.“
    Eben komme ich an einem Haus vorbei, aus dem dichter,
dunkler Qualm steigt. Da ich gestern Abend in unserer Bar schon einmal
Feuerwehr spielen durfte, als eine Pfanne mit Öl Feuer fing und bestimmt zwei
Meter hoch brannte, gehe ich entschlossen in das Haus hinein.
    Ich rufe laut, ob hier jemand ist und sehe ein uraltes
Mütterlein an einem großen feuergeschürtem Herd sitzen, wie sie versucht,
diesen in Gang zu bringen.
    Mit einem dürren Ästchen stochert sie in den beklagenswerten
Flammen herum und entschuldigt sich dafür, dass sie keinen Abzug hat. Den hat
man vergessen einzubauen, als sie diesen schönen neuen Herd bekam. Ich bin
sprachlos! Echt! Wie kann man in so einen kleinen Raum, einen derartig großen
Herd einbauen und den Kamin „vergessen“??? Die Oma schwebt bei jedem Tee, den
sie sich kocht, in akuter Lebensgefahr. Entweder weil sie von den Flammen
bedroht wird, oder weil ihr das entstehende Kohlenmonoxid den Gar aus macht.
    Wie gut, dass wir in Deutschland so akkurat und ordentlich
sind und für jeden Mist ein Gesetz haben.
    Nach zwei weiteren Kilometern regnet es Asche. Noch 68 km
bis Santiago. Seit ich den Wegstein passiert habe, der noch 100 Kilometer bis
Santiago ankündigte, kommt nun alle Kilometer ein Wegstein, der angibt wie weit
man noch zu gehen hat.
    Der Morgen schreitet voran und langsam wird es warm. Am
Straßenrand taucht plötzlich eine Bar auf, mit Stühlen und Tischen im Gras vor
dem Haus. Bäume spenden Schatten. Eindeutig: Es wird Zeit für das zweite
Frühstück. Wieder einmal bin ich erstaunt: 1 Café con leche, 1 frisch
gepresster Orangensaft, 1 Wasser und ein super fleischiges Croissant kosten
5,10 Euro. Und das kurz vor Santiago.
    Annette von Droste-Hülshoff, die Dame auf dem alten 5,- Mark-Schein
und ihres Zeichens Schriftstellerin sagt einmal: „ein gutes Buch schreibt sich
von selbst. Man darf es nur nicht stören.“
    Nun sitze ich hier, auf einer Wiese unter einem Baum mit
leckerem Frühstück um mich herum und schreibe die Erlebnisse meines Jakobsweges
in mein Notizbüchlein.
    Heute läuft es gut. Hier stört mich nichts. Was einem so
alles einfällt auf dem Weg des heiligen Jakobus’…?
    Fertig gefrühstückt, es geht weiter. Langsam kehrt Ruhe ein
unter meiner Schädeldecke. Mein Hirn scheint komplett leer. Da kommt nichts
mehr. Fühlt sich an als liefe ich im Fieberwahn. Die Augen sehen, aber das
Gesehene wird nicht in Gedanken umgewandelt. Das Hirn ist still. Die Füße
gehen, die Augen sehen, mein Körper bewegt sich, aber ich bin nicht mehr dabei.
Fühle keinen Rucksack mehr, kein Knie das schmerzt, nichts wird bewertet oder
beurteilt. Stille in meinem Kopf.
    Um halb zwei mache ich die nächste Pause und esse in einer
Pension, in der gregorianischer Chöre singen, ein Bccadillo mit Schinken und
Oliven. Dazu trinke ich Wasser. Wein würde zwar besser passen, aber ich habe
noch ein paar Kilometer vor mir und dann wird das nichts mehr. Wein gibt es
erst zum Ende des Tages.
    Der Chef dieser Pension ist ein witziger Kerl. Er schimpft
über die Spanier, die ständig Zimmer reservieren und dann nicht kommen. Das
regt ihn auf, wie man deutlich mitbekommt. Ihm sind die Deutschen am liebsten.
Die reden nicht lange rum. Wenn die reservieren, kommen sie auch.
    Zwei Dänen stehen da und suchen ein Bett. Eigentlich ist er
ausgebucht, aber er will die Pilger, die reserviert haben anrufen um zu sehen,
ob sie nun kommen oder nicht. Tatsächlich. Zwei mal sechs Reservierungen fallen
aus. Er zeigt uns allen laut schimpfend sein Reservierungsbuch. Wild
durchgestrichene Blätter zeigen schon sehr deutlich, dass ca. dreiviertel nicht
erscheinen. Er gibt den

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