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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Villas
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Mit dem Baby stimmt etwas nicht, ich muss mit ihr an die Luft.“
    Er stand sofort auf und ging telefonieren. Mit meinem Baby
auf dem Arm ging ich nach draußen an die Luft. Ich hielt sie fest an mich
gedrückt und ging ruhig auf und ab. Leise redete ich mit ihr. Ich sagte, sie
solle bleiben. Sie solle bei mir bleiben, bei uns. Sie solle auf alle Fälle
hier bleiben.
    Weil wir auf dem Land wohnten, dauerte es eine ganze Weile
bis der Notarzt kam.
    Eine endlose Weile, in der ich mit meinem Baby in den Armen
ruhig auf und ab ging und ihr ins Ohr flüsterte, dass sie bleiben solle und sie
auf die Stirn küsste.
    Nachts gibt es viele Schatten, das hat die Nacht so an
sich, aber damals saß ein Schatten in der Ecke, der nichts mit der Nacht zu tun
hatte. Dieser Schatten hatte eine ganz besondere Anziehungskraft. Er fühlte
sich gut an, voller Geborgenheit und endloser, tiefer Liebe. Ich erkannte ihn
sofort. Es war der Tod.
    Während ich ihn mit meinen Blicken fixierte, sprachen meine
Gedanken zu ihm: „Lass mir mein Kind. Bitte lass mir mein Kind. Es ist nicht
die Zeit für sie. Lass sie hier. Sie gehört zu mir.“
    Ich ging mit meinem Kind auf den Armen weiter auf und ab.
Hielt es fest. In keinem Fall hätte ich es hergegeben! Sehr wohl fühlte ich,
dass der Schatten noch da war und uns beobachtete. Trotzdem ging ich ruhig und
gleichmäßig weiter und flüsterte meiner kleinen Tochter beruhigende Worte ins
Ohr.
    Ich war innerlich völlig ruhig und glasklar. Der Schatten
blieb wo er war, strahlte weiterhin Liebe und Geborgenheit aus, kam mir aber
nicht näher. In Gedanken sagte ich ihm, er solle gehen. Mein Kind bekomme er
nicht.
    Irgendwann wurde der Schatten weniger präsent, verschwand
ganz und in diesem Moment fuhr ein Wagen vor das Haus. Endlich. Der Notarzt war
da.
    In der Sekunde, in dem der Arzt mit seinem Team durch die
Haustüre trat, klappte mein Baby die Augen auf. Immerhin. Sie war zwar noch am
ganzen Körper gelähmt, aber sie hatte die Augen offen.
    Der Arzt untersuchte sie und vermutete einen Fieberkrampf,
aber Fieber hatte sie keines. Er nahm uns mit und mein Baby und ich fuhren mit
Blaulicht ins Krankenhaus.
    Während wir über den Flur zur Kinderintensivstation gebracht
wurden, las eine Schwester in ihrem Untersuchungsheft für Kinder:
    „Sie heißt mit zweitem Namen Fortuna? Na das hat ja schon
mal gut funktioniert.“
    Den Rest der Nacht wurde meine Kleine untersucht. Sie fiel
immer wieder zurück in dieses Koma, aber die Tiefe wurde flacher und die Dauer
wurde kürzer. Dafür wurden die Wachphasen langsam länger.
    Von dem Moment an, wo ich sie in ihrem Bettchen gefunden
habe, bis zu dem Moment, in dem der Arzt das Haus betrat vergingen 40 Minuten.
    Im Morgengrauen waren die Untersuchungen ausgewertet und
ich bekam die Diagnose mitgeteilt. Sie lautete: plötzlicher Kindstod.
    „Plötzlicher Kindstod?“ Ich war immer noch völlig ruhig und
klar. Ich hatte noch nicht ganz realisiert, was letzte Nacht geschehen war.
„Aber sie ist doch schon viel zu alt dafür und ich stille sie noch.“
    „In den ersten drei Monaten eines Kindes gibt es Häufungen,
aber im Alter von sieben Monaten gibt es einen weiteren Gipfel. Ihr Blutzucker
lag bei über 500, was auf einen sehr großen Stress hinweist, sie ist leicht
erkältet und lag auf dem Bauch“, erklärte mir der Arzt.
    „Das sind die Ergebnisse, die die Medizin im Moment kennt.
Mehr Fragen können wir Ihnen leider nicht beantworten, weil es hierzu keine
Ergebnisse gibt. Ihre Tochter ist die erste überlebende Kindstod-Patientin, die
wir hier im Krankenhaus haben. Seien Sie froh.“
    Ich war froh, rief meinen Mann an und erzählte es ihm. Er
solle, sobald die anderen Kinder wach seien, mit ihnen ins Krankenhaus kommen
und das Baby besuchen. Ich wollte wissen, ob ihr Hirn Schaden genommen hatte.
    In den Wachphasen meiner Tochter trank sie an meiner Brust
und lächelte mich an. Sie war lebendig und sie erkannte mich. Das war schon mal
gut. Später kam die Familie. Sie erkannte alle, lachte sie an und freute sich.
Phuhh, noch mal gut gegangen.
    Weitere 16 Stunden später war sie stabil wach. Sie kippte
nicht mehr um.
    Wie das auf dem Lande so ist, verbreiten sich aufregende
Nachrichten besonders schnell. So wunderte es mich nicht, dass am selben
Nachmittag meine Freundin zu Besuch kam. Sie wohnte ganz in der Nähe des
Krankenhauses.
    „Hast du eine Vorstellung davon, was für ein Glück du
hast?“, fragte sie mich.
    „Noch nicht so ganz“, antwortete

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