Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
worden sind.
Egal wie es war, heute werden wir den keltischen Weg gehen,
den Arthur mit seinen Mannen angeblich schon vor vielen hundert Jahren ging.
Der Weg beginnt in der kleinen, romantischen Küstenstadt Boscastle. Mein
Wanderführer erzählt irgendetwas von „Stile“ über die man drüber muss. Wir
haben keine Ahnung was „Stile“ sind und gehen erst einmal geradeaus daran
vorbei und immer weiter den Berg hoch, bis der Weg endet und wir ausschließlich
von Kuhweiden umgeben sind. Mein Geliebter lacht sich schon wieder herzhaft
einen ab, mein Organisationstalent ist sagenumwoben und mein Orientierungssinn
wurde dem Zufall überlassen.
Erst gestern, als wir durch das Dartmoor gewandert waren,
kamen wir natürlich prompt mitten in die Schießübungen des englischen Militärs.
Das Moor war aus genau diesen Gründen gesperrt worden, aber ich hab das mal nicht
so ernst genommen und deshalb sind wir da trotzdem hinein. Wir wollten ja
schließlich wandern. Die Schüsse habe ich auch sehr deutlich vernommen, das war
nicht das Problem, ich dachte nur, die wären so weit weg, dass uns das nicht
mehr treffen würde.
Bis dann ein Sicherheitsmann mit einer überdimensionierten
Flagge sehr aufgeregt auf uns zu rannte und uns sehr höflich empfahl, unsere
Wanderroute abzukürzen wenn wir nicht riskieren wollen, erschossen zu werden.
Das fand ich wiederum sehr schade, denn eigentlich wollte ich die Wildpferde
sehen und das kleine Stückchen Wald, welches in meinem Reiseführer so herrlich
angepriesen wurde. Na ja, dann halt nicht und so kehrten wir wieder um.
Jetzt stehen wir also auf dem Hügel am Ende des Weges,
blicken über eine Kuhherde hinweg auf die Weite des Meeres und wissen nicht
mehr weiter.
Aber da ich eine Frau bin und keine Probleme damit habe,
jemanden nach dem Weg zu fragen, mache ich das mal. So gehe ich zurück zur
nächst besten Farm und frage den ersten Mann, den ich sehe, nach dem Weg.
Inzwischen ist mein Geliebter ebenfalls auf der Farm eingetroffen, an deren
Wegesrand Schweine mit bronzefarbenen Borsten im Sand liegen und sich sonnen.
Dieser sehr nette Farmer erklärt uns, eingebettet in ein
nettes Schwätzchen, sehr freundlich und absolut idiotensicher, was eine „Stile“
ist und wo ich sie finde und wie es dann weiter geht. Also die Geduld, mit der
dieser Engländer mit uns desorientierten Touristen umgeht, ist schon sehr
bemerkenswert.
„Stiles“ sind demnach eine Klettervorrichtung zwischen den
Hecken, die von Menschen überwunden werden können, aber nicht von Kühen.
Ich hätte niemals erwartet, dass dieser „heilige“ Weg mitten
durch eine Kuhherde geht. Hier in Südengland sind die Weiden nicht durch Zäune
abgetrennt, sondern durch dichte Hecken und Gebüsch. Überhaupt gibt es hier
unglaublich viele Hecken. Selbst an den Straßen entlang wachsen nur Hecken. Man
sieht gar nichts von der Landschaft.
So klettern wir über eine Stile nach der anderen, wandern
durch eine Kuhherde nach der anderen und erreichen einen Bach. Dann wandern wir
an einem Bach entlang, der von ein paar Bäumen umgeben ist, die sich langsam zu
einem schönen Laubwald ausweiten.
Bars oder Pubs, wie entlang des Jakobsweges, an denen man
kurz rasten und sich erfrischen kann, gibt es hier keine. Es gibt ja nicht mal
Wege. Wir wandern ja durch Kuhherden. Wohl dem, der melken kann.
Nach einigen Stunden Wandern, treffen wir im Wald auf eine
alte und verfallene Mühle am Bach. Meine innere Stimme sagt sehr laut und deutlich,
ich solle von hier einen Stein mitnehmen. Meine innere Stimme hat mich schon
sehr oft, sehr gut geleitet und so packe ich einen hübschen Brocken mit einer
flachen Seite in meine Hosentasche und nehme ihn mit.
Der Bach wird breiter, der Wald wird dichter. Irgendwann
kommen wir zu einem Haus, in dessen Garten es Tee gibt. Wir wollen keinen Tee,
wir wollen zu diesem Wasserfall.
Um an den Wasserfall zu gelangen, müssen wir aber durch den
Garten dieses Hauses, denn der Wasserfall steht auf privatem Grund. Aha.
Deshalb müssen wir auch Eintritt bezahlen.
Wir bekommen einen kleinen Beipackzettel, auf dem die
Geschichte und die Legende der Einsiedelei und des Wasserfalls von St. Nectans
Glen in Tintagel steht.
Ich zitiere: „Der 21. Jahrhundertbesucher der Einsiedelei
ist dem Pfad gefolgt um den Wasserfall, der aus dem 6. Jahrhundert von Pilgern
genutzt wurde, um im Schrein des guten St. Nectan, der um 500 a.d. hier lebte,
zu beten.“ Steht auf diesem Zettel.
Wir gehen den schmalen Weg
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