Schuhwechsel
sich der Weg gabeln. Eine Strecke geht durch den Wald, die andere Strecke durch Samos, in dem ein schönes Kloster stehen soll. In einem Kloster habe ich noch nie geschlafen und das würde ich gerne einmal tun, andererseits ist der Weg durch den Wald auch sehr verlockend.
Mein Pilgerführer gibt mal wieder keine eindeutige Auskunft und überlässt mir die Entscheidung, die zu fällen ich aber noch nicht in der Lage bin.
Am Bauernhof, gegenüber unseres Herberggartens, liegen drei große Hunde in der prallen Sonne, an einer üblichen, kurzen Kette. Als die Sonne nicht mehr so hoch steht und es dem Bauern kühler ist, beginnt er den Hunden einen Schattenspendenden Verschlag zu bauen, unter den sie sich legen können. Er baut diesen Verschlag dermaßen umständlich und kompliziert, dass wir Pilger lange etwas zu schauen haben. Sonst passiert nicht viel. Wir sind alle müde und warten aufs Essen.
Diese Herberge wird von einer Frau geleitet, die arbeiten kann wie ein Pferd. Sie hat alles im Blick und ist unheimlich schnell und routiniert in ihren Bewegungen. Zwar stehen drei junge Hospitanten um sie herum, aber die tun eigentlich nicht viel. Das meiste macht sie selbst und das mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit.
Sie bedient die Gäste an der Bar und kocht das Essen für alle Pilger im Haus.
Da alle Betten belegt sind, sind wir 96 Personen. Wasser und Wein steht auf den Tischen und es gibt für alle reichlich Gemüsesuppe, Salat, Fleisch mit Nudeln und Soße. Als Dessert gibt es den Santiagokuchen. Für die Vegetarier kocht sie extra. Die Hospitanten tragen nur die Schüsseln und Platten an den Tisch und räumen sie später ab.
Diese Frau klotzt echt was weg und ich lächle ihr anerkennend zu. Gastronomie in dieser Dimension alleine zu bewältigen, ist ein Knochenjob.
Da sonst nichts los ist, gehen alle ziemlich zeitig ins Bett. Neben mir und unter mir liegen drei Pfälzer Bundeswehrköche, die vor neuen Aufgaben stehen und die Zeit dazwischen für den Jakobsweg nutzen. Die Jungs sind echt witzig, aber dieser Dialekt, den die sprechen, ist kaum zu verstehen! Du lieber Himmel, so etwas Fremdländisches habe ich ja noch nie gehört! Sie müssen mir fast jeden Satz ins „Hochdeutsche“ übersetzen und selbst dann brauche ich viel Phantasie, um zu begreifen, was sie meinen.
In dieser Nacht schnarcht kein einziger der 96 Pilger.
Tag 6:
von Fonfria bis Samos
Dafür pupsen am anderen Morgen umso mehr. Echt! Der Typ, zwei Betten weiter, lässt fröhlich die Luft aus seinem Hintern fahren und tut so, als ginge es ihn nichts an. Weder Geräusch noch Geruch scheinen ihn zu stören.
Am Fenster zu liegen, war eine kluge Entscheidung. Apropos Pupsen. Das pilgern an sich ist ja wirklich eine herrliche Sache und ich genieße diese Freiheiten jeden Tag aufs Neue. Was mir aber trotzdem sehr fehlt, ist ein gemütliches Klo mit Hygieneartikeln, einem Kreuzworträtsel, Ruhe und Zeit.
Durch diese tägliche Bewegung wird die Verdauung zwar super angeregt, aber wenn drei andere Pilger vor der Türe stehen und warten, bis ich fertig bin, dann kann ich nicht. Es ist mir peinlich, wenn man etwas hört oder es danach entsprechend „duftet“.
Auf manchen öffentlichen Toiletten und in Bars ist oft das Klopapier leer und wenn man das nicht vorher bemerkt, sitzt man ganz schön beschissen da.
Jeden Tag aufs Neue bin ich froh und dankbar, wenn ich ein „stilles Örtchen“ gefunden habe und den Ballast einigermaßen entspannt losgeworden bin.
Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg und verabschiede mich herzlich von der Herbergsmutter, die mir beim Hinausgehen zuruft: „Wenn du in Santiago angekommen bist, komm zurück hierher! Ich könnte dich gut als Hospitantin gebrauchen.“
„Danke für das Angebot, wenn ich könnte, würde ich das glatt tun. Wir hätten bestimmt viel Spaß zusammen“, antworte ich.
Die Senioren haben ihren Rucksack mit dem Auto in die nächste Herberge fahren lassen, aber ich trage meinen heute. Habe mich noch nicht entschieden, wo ich nächtigen werde und bleibe, mit meinem Gepäck auf dem Rücken, flexibel.
Während ich mich gut gelaunt auf den Weg mache, simse ich mit meinem Geliebten. Wir haben jeden Tag sms-Kontakt und ihm gefällt, was ich erlebe. Das freut und beflügelt mich, weiter zu gehen, denn es pilgert sich gleich noch einmal so schön, wenn man diese herrlichen Erlebnisse teilen kann.
Jedenfalls achte ich während des Schreibens nicht mehr auf die gelben Pfeile und biege falsch
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