Schulden ohne Suehne
Kreditwürdigkeit und erlaubt es, zu günstigen Zinsen Fremdkapital aufzunehmen. Ein weniger gutes Rating kann die Finanzierungskosten verteuern.
Eine Abstufung kann daher in einem nervösen Markt eine Abwärtsspirale auslösen. Griechenland bekam das im Dezember2009 schmerzhaft zu spüren. Nachdem die Agentur Fitch das Rating von A- auf BBB+ gesenkt hatte, bot ein Teil der Investoren umgehend ihre griechischen Staatspapiere am Markt an. Die Kurse fielen. Da sich Kurse und Zinsen in entgegengesetzter Richtung entwickeln, schossen die Zinsen in die Höhe. Neue Titel konnten nur mit einem massiven Zinsaufschlag im Vergleich zu Bundesanleihen verkauft werden, was wiederum den griechischen Staatshaushalt zusätzlich belastete. Ähnliches wiederholte sich im Februar 2010. Die Herabstufung platzte mitten in die Verhandlungen Griechenlands mit dem Internationalen Währungsfonds und der Eurogruppe und verschärfte die Euro-Krise damit möglicherweise unmittelbar. 299
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17. Wir haben die Schulden nur bei uns selbst – wirklich?
Einem beliebten Argument für den sorglosen Umgang mit Staatsschulden zufolge haben wir diese Schulden nur bei uns selbst. Leiht sich der Staat eine Billion von seinen Bürgern, haben die Bürger eine Forderung von einer Billion an den Staat. Für die Rückzahlung müssen sie dem Staat dann den Gegenwert von einer Billion als Steuern zahlen.
Ist Staatsverschuldung also so eine Art »kollektives In-sich-Geschäft«, bei dem sich die Nettoansprüche der Bürger an den Staat mit ihren künftigen Steuern für die Finanzierung dieser Forderungen gerade aufrechnen lassen? Und ist es dann nicht praktisch egal, wie groß die Staatsschuld ist, weil ihr immer Forderungen der Bürger an den Staat in gleicher Höhe gegenüberstehen?
Der Nationalökonom Abba P. Lerner (1903 – 1982) beispielsweise argumentierte in dieser Weise in einer 1943 veröffentlichten Arbeit. 329 Nach seiner Überzeugung sollte die Frage der Höhe des staatlichen Schuldenstands für die Regierung überhaupt keine Rolle spielen. Selbst hohe Zinszahlungen des Staats würden der Gesellschaft insgesamt überhaupt keine Last aufbürden, weil ihnen in gleicher Höhe zusätzliche Zinseinnahmen im privaten Sektor gegenüberstünden. Lerner illustriert das an der folgenden Überlegung:
»Angenommen, der nationale Schuldenstand erreicht die unvorstellbare Höhe von zehntausend Milliarden Dollar (also zehn Billionen, $ 10,000,000,000,000), so dass die jährlichen Zinszahlungen 300 Milliarden im Jahr betragen. Angenommen, das reale Volkseinkommen der Volkswirtschaft bei Vollbeschäftigung sei 150 Milliarden pro Jahr. Die Zinsen allein sind dann doppelt so hoch wie das gesamte reale Volkseinkommen. Es besteht kein Zweifel, dass Schulden in dieser Höhe »unvernünftig« wären. Aber selbst in diesem phantastischen Fall stellt die Zinszahlungfür die Gesellschaft keine Last dar. Obwohl das reale Einkommen nur 150 Milliarden beträgt, beträgt das Einkommen in Geld gemessen 450 Milliarden – 150 Milliarden in Einkommen aus der Produktion von Gütern und Dienstleistungen und 300 Milliarden in Zinseinkommen aus Staatsanleihen, die die Staatsverschuldung ausmachen. Von diesem Geldeinkommen von 450 Milliarden muss der Staat 300 Milliarden als Steuern für Zinseinkommen einsammeln (sofern 10 Billionen Dollar das gesetzliche Schuldenlimit sind), aber nach Zahlung dieser Steuern bleiben 150 Milliarden Dollar in den Händen der Steuerzahler, und das ist ausreichend, um für alle Güter und Dienstleistungen zu bezahlen, die die Volkswirtschaft produzieren kann. Tatsächlich würde man dem privaten Sektor nichts Gutes tun, würde man ihm mehr Nettoeinkommen nach Steuern überlassen, denn wenn die Kaufkraft mehr als 150 Milliarden betragen würde, würde das nur die Preise der gekauften Güter erhöhen. Der private Sektor wäre nicht im Stande, mehr an Gütern zu erwerben als das Land zu produzieren im Stande ist.« 330
Der Kern des Arguments von Lerner wird verständlich, wenn man sich die von ihm unterstellte Theorie für die Funktionsweise von Wirtschaft verdeutlicht. In der Wirtschaftswelt Lerners – der Welt der Keynes’schen »Globalsteuerung« – ist die Höhe der Nachfrage die zentrale Größe der Wirtschaftspolitik. Ziel der Wirtschaftspolitik ist es, die Höhe der Nachfrage auf die Größe des Produktionspotentials der Wirtschaft bei Vollbeschäftigung zu trimmen.
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