Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
Hals – das heißt, er und Sie traten sozusagen, wenn auch nicht Hand in Hand, so doch gewissermaßen Klingel an Klingel in unser Leben. Ich hatte die erfreuliche Aufgabe, bei Harvard vorzusprechen, einer Institution, deren Existenzberechtigung er für äußerst fragwürdig zu halten scheint. Daß sie Militär und Industrie dieses Landes dient, bestärkt ihn in dieser Meinung. Nun, wie Sie wohl ahnen, haben Harvard und alle anderen Colleges so viele Nestflüchter, daß es heute in ihren Computern einen speziellen Code für inoffizielle Abgänge gibt. Dank vieler Konzessionen von beiden Seiten darf Jack jetzt zurückkommen. Am College angenommen zu werden mag heutzutage verdammt schwierig sein, aber offensichtlich ist man dort bewundernswert zögerlich, wenn es darum geht, jemanden hinauszuwerfen oder auch nur zuzulassen, daß jemand die Tür hinter sich zuwirft. Ob es sich hierbei um Großmut oder Schuldgefühl handelt, das vermag ich nicht zu entscheiden.«
    »Sieht so aus, als hätten Sie in diesem Fall die wichtigsten Dinge im Griff, jedenfalls eher als die Eltern des Jungen. Ich fürchte, das ist normal. Wird er in Harvard bleiben?«
    »Vorläufig. Was mich dabei beunruhigt, Miss Tyringham, ist die Tatsache, daß er ungehobelt und ungewaschen ist, unüberlegt handelt und bis über die Ohren voller Schlagworte steckt, die die Dinge abscheulich vereinfachen. Leider hat er auch noch recht.«
    »In jeder Beziehung?«
    »Das wohl kaum. Aber er hat recht, was meinen Bruder angeht, hat recht mit seiner Haltung zu diesem entsetzlichen Krieg, und er ist so wunderbar mutig, daß es zum Verrücktwerden ist. Ich meine damit, theoretisch sind wir alle für Prinzipientreue, aber die wenigsten von uns werden einen guten Vorwand, sich zu drücken, ungenutzt lassen.«
    »Das nennt man Kompromiß.«
    »Die Jugend würde das niemals tun. Zum Glück. Vielleicht auch zu meinem Glück. Darf ich mich ein wenig umsehen? Vielleicht bekomme ich ja Lust, in der Turnhalle an einem Seil herumzuklettern.«
    »Mrs. Copland erwartet Sie und wird Ihnen alles zeigen. Sicher hätten Sie gerne Julia als Führerin gehabt, aber sie hat gerade eine Besprechung mit einer Frau, die einmal in der Woche zu uns kommt, um uns alles über Computer beizubringen – immer dann wünsche ich mir die einfacheren Zeiten zurück. Ich glaube, Sie werden mit Mrs. Copland gut zurechtkommen. Sie unterrichtet Literatur in der elften Klasse und beaufsichtigt die Hausaufgaben der sechsten. Wir hoffen, sie übernimmt die Leitung der englischen Abteilung, wenn sie diesen ganzen Kinderkram überstanden hat, aber sagen Sie ihr das nicht: Wir wollen ihr keine Angst einjagen. Es hat mir viel Freude gemacht, mit Ihnen zu sprechen«, schloß Miss Tyringham, richtete sich in ihrem Sessel auf und schüttelte energisch Kates Hand. »Und denken Sie daran: Wir müssen für unser nächstes Gespräch auf keinen Notfall warten.«
    Dieser Wunsch ging, weiß Gott, in Erfüllung. Sie brauchten auf keinen neuen Notfall zu warten. Denn binnen kurzem wurden sie von einem Notfall überrollt, mit dem zu rechnen niemand auch nur im Traum eingefallen wäre.

Kapitel Drei
    K ate verzichtete auf die Hilfe von Miss Tyringhams Sekretärin und machte sich allein auf den Weg zur sechsten Klasse und zu Mrs. Copland. Das Schulgebäude sah noch aus wie zu Kates Tagen, es bot genug Platz, war aber veraltet. Nichts altert schneller als der letzte Schrei. Neue Schulbauten, die voller Stolz die modernste Ausrüstung präsentieren, altern wie eine Frau, die sich das Gesicht hat liften lassen, es fehlt der Charakter, der die Verwüstungen, die die Zeit anrichtet, ausgleichen könnte. Aber schließlich kann man auch kein Winchester in New York City bauen, oder?
    Da sie nicht gern an einer Klassenzimmertür anklopfte – das tat vielleicht ein Dienstbote zur Zeit des British Empire –, öffnete Kate vorsichtig die Tür.
    »Oh«, rief Mrs. Copland von vorn, »kommen Sie herein. Wir sind gerade fertig.« Kate öffnete die Tür ganz und wurde vom Scharren dreißig geräuschvoll zurückgeschobener Stühle und dreißig aufstehender Zwölfjähriger begrüßt. Sie war starr vor Schreck. »Setzt euch, meine Damen«, sagte Mrs. Copland. »Mal sehen, ob ihr drei Minuten allein im Klassenzimmer bleiben könnt, ohne die Wände einzureißen. Es wird gleich läuten.«
    Sie verließ mit Kate den Raum und schloß die Tür mit Nachdruck.
    »Rechnen Sie mit einer Explosion?« fragte Kate nervös.
    »Nicht innerhalb von drei

Weitere Kostenlose Bücher