Schusslinie
Erpressung, Schiedsrichter und Spieler
gegnerischer Fußballmannschaften zu beeinflussen.« Häberle ließ gleich gar keinen
Widerspruch aufkommen, sondern redete jetzt immer schneller. Auch er schwitzte.
»Schiedsrichter und Gegner, die dafür sorgen konnten, dass Deutschland nächstes
Jahr Weltmeister würde. Und was man sich da vorgenommen hatte, war eine gigantische
Aktion: Nicht nur im Vorfeld, sondern insbesondere während der WM hätte man mit
enormem Aufwand auf die jeweiligen Gegner und Schiedsrichter Einfluss genommen.
Und wer nicht gespurt hätte, dem hätte man die Hölle heiß gemacht – oder ihn einfach
beseitigt.«
Gangolf schüttelte den Kopf und wandte sich
voller Empörung ab.
»Tote hat’s bereits genug gegeben. Zumindest
ein Schiedsrichter in Südamerika ist vor wenigen Wochen erst unter dubiosen Umständen
ums Leben gekommen. Und begonnen hat es mit dem bedauernswerten Herrn Lanski. Sie
erinnern sich: Vor dreieinhalb Monaten ist er in Geislingen erschossen worden. Er
ist damals gerade von einer Tagung gekommen, die Herr Stefan Beierlein in Stuttgart
geleitet hatte …« Häberle deutete
auf ihn und lächelte. Beierlein saß wie versteinert. »… angeblich ging’s um Sportartikelgeschäfte.
Doch in Wirklichkeit hatte man korrupte Schiedsrichter um sich versammelt. Herr
Lanski hätte wohl als Sportfunktionär und künftiger Wettbüro-Inhaber mitmischen
sollen, doch dann ist ihm die Sache zu heiß geworden. So heiß aber, dass er Angst
um sich und seine Familie hatte, weil man in Stuttgart natürlich alle Anwesenden
eingeschüchtert hat«, stellte Häberle fest. Die Gäste hingen ihm jetzt förmlich
an seinen Lippen. Gangolf verfolgte das Geschehen kopfschüttelnd.
»Lanski hat sich alten Freunden anvertraut,
noch am gleichen Abend. Und auch die waren von den Drohungen und Einschüchterungen
tief erschüttert. So tief, dass sie es nicht wagten, mit jemandem darüber zu reden.
Denn schon damals, das darf angenommen werden, waren brutale Trupps der inzwischen
aufgebauten Organisation in Deutschland unterwegs.«
Jetzt wurden wieder Zwischenrufe laut, mit
denen sich einzelne Anwesende von all dem distanzieren wollten.
»Doch Lanski, da bin ich inzwischen überzeugt,
musste an diesem Abend nicht sterben, weil er ein Geheimnis verraten hatte. Nein,
er war in einer anderen Sache unbequem und damit zum Sicherheitsrisiko geworden«,
dozierte Häberle, »er gehörte nämlich zu einer Schar von geprellten Darlehensgebern.
Herr Nullenbruch hat bei seinem Engagement in der Slowakei nicht nur Tür und Tor
zur Wettmafia geöffnet, sondern über seinen dubiosen Freund Jano reichlich Kapital
als angeblich hochverzinsliches Darlehen fließen lassen. Als Lanski den Verdacht
gehegt hat, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging, wollte er an diesem Abend
seinen alten Freund Nullenbruch zur Rede stellen. Rein vorsorglich hat er sich unter
falschem Namen ins Hotel eingemietet – ein cleverer Schachzug, falls ihm etwas zustoßen
würde. So wurden wir auf die richtige Spur gelenkt.« Häberle lächelte. »Er hat auch
gut daran getan, wie wir wissen. Um nirgendwo gesehen zu werden, verabredete man
sich aber nicht im Hotel, sondern am Bahndamm unweit den Sportplätzen im Eybacher
Tal.«
Häberle schaute dem Mann, den er für Nullenbruch
hielt, fest in die Augen. Der ließ keine Regung erkennen.
»Doch gekommen ist an diesem Abend nicht der
Herr Nullenbruch, sondern jemand anders«, stellte der Kommissar fest, während einer
der Kellner – es war Linkohr – ihm einen Zettel zusteckte. Häberle überflog den
handschriftlichen Text und nickte seinem Kollegen zu. »Sollen hergebracht werden.«
Linkohr hatte das diskrete Verhalten eines
Kellners abgelegt und eilte aus dem Raum.
74
Riegert war am Eingang zum Burghof von SEK-Beamten gestoppt worden.
Sie hatten jedoch bereits von den Kriminalisten im Göppinger Revier von dessen Kommen
erfahren. Ein Beamter salutierte und meldete: »Wir haben die Lage im Griff.« Riegert
verstand jedoch überhaupt nicht, worum es ging und erklärte, er sei anonym aufgefordert
worden, hier heraufzukommen – genau so, wie er es bereits dem Beamten bei der Kriminalpolizei
dargestellt hatte. Offenbar war aber auch dies bereits weitergemeldet worden.
Riegert wurde gebeten, seinen Wagen außerhalb
der Burganlage abzustellen. Er kam dieser Aufforderung nach, stieg aus und wurde
von einem dienstranghöheren, schnauzbärtigen SEK-Angehörigen begrüßt. »Sie sind
nicht der
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