Schutzengel mit ohne Flügel
bewahrten die Teilnehmer ausgewählte Bewohner der näheren Umgebung davor, Mist zu bauen, und erzielten dabei gute Erfolge. Zum Beispiel hatten sie im vergangenen Jahr einen gewalttätigen und unbeherrschten Bauern so weit gemäßigt, dass er zum Kerimäkier des Jahres gewählt wurde. Er hatte sich so gut entwickelt, dass er sich nicht mehr mit seinem alten, rostigen Lada in der Kurve an der Kirche überschlug. Er hatte sich ein neues Auto kaufen können und seine Frau war schwanger geworden, obwohl er sie früher grün und blau geschlagen hatte.
Am aktuellen Kurs nahm auch Sulo Auvinen teil, ehemals Religionslehrer am Gymnasium von Juva, der vor einigen Monaten im Alter von zweiundachtzig Jahren gestorben war. Lehrer Auvinen hatte also auf Erden ein hohes Alter erreicht, aber als Engel war er ein Anfänger. Er brannte darauf, Schutzengel zu werden. Als Mensch war er hilfsbereit und ein Beschützer gewesen, besonders, da er hingebungsvoll als Religionslehrer gearbeitete hatte, was für ihn wie eine Berufung gewesen war.
Religionslehrer Sulo Auvinen war zu Lebzeiten ein recht schmucker Mann gewesen: etwas mehr als mittelgroß, von schlanker Figur, auch sein Gesicht hatte angenehme Züge gehabt. Seine äußere Erscheinung war also sehr passabel gewesen, was sich von seinem irdischen Lebensweg aber keineswegs behaupten ließ. Er war ein guter Kerl, aber ein hoffnungsloser Tölpel gewesen. Sein Studium hatte er mit mäßigem Erfolg abgeschlossen, er war nicht Pastor, nicht Propst und auch nicht Bischof geworden, sondern ein schlichter Religionslehrer. Dabei mangelte es ihm nicht an Verstand, sondern an Lebenstüchtigkeit. Was Sulo anpackte, ging meistens schief. Immer wieder geriet er in Schwierigkeiten, fuhr sein Auto in den Graben, beleidigte die Leute, ohne es zu merken, heiratete aus Versehen, fällte Bäume auf dem Grundstück des Nachbarn, sein Wecker klingelte nicht, er aß giftige Pilze. Aber er gab immer sein Bestes, das lässt sich nicht leugnen, und mit Zähigkeit und Zuversicht meisterte er schließlich sein Leben. Nachdem er mit fünfundsechzig Jahren pensioniert worden war – also vor mehr als fünfzehn Jahren –, war Auvinen mit seiner Frau von Juva nach Kuopio gezogen, wo er seine letzten Lebensjahre damit verbracht hatte, die Sozialfälle der dortigen Kirchgemeinde Petonen zu betreuen – und von diesen Fällen gab es in dem neuen Wohngebiet wahrlich genug. Als er ein paar Jahre später verwitwet war, hatte er sogar die Türen seines Hauses für einige hoffnungslos dem Alkohol verfallene schwarze Schafe der Gemeinde geöffnet, wobei er allerdings darauf geachtet hatte, dass sich die neuen Bewohner nicht für immer in seiner sauberen Wohnung einnisteten und sie mit ihrem Gestank verpesteten. Seine Schützlinge verursachten jedoch Wasserschäden und nahmen bei ihrem Auszug das Familiensilber mit, das Sulo dann allmonatlich in der Pfandleihe einlöste. Zu Weihnachten zog er mit der Sammelbüchse durch die Straßen, und stets fand er ein Häuflein hilfsbereiter Menschen, sodass er Wollpullover und anständiges Essen für die Obdachlosen kaufen konnte. Auf diesen Pfaden der Mildtätigkeit glitt er aus und brach sich den Oberschenkel, der jedoch gerade rechtzeitig vor seinem Tod verheilte, sodass man ihn nicht mit Gipsbein zu Grabe tragen musste.
Sulo Auvinen war eine stattliche Erscheinung: Die Spannweite seiner Flügel betrug immerhin elf Meter. Bei einigen dicken Engeln konnten es auch schon mal bis zu fünfzehn Meter sein. Obwohl die Engel Geisterwesen sind, haben sie doch Flügel, und als Gott die Flügel schuf, achtete er natürlich darauf, dass sie die entsprechenden Proportionen zum Körper haben.
Durch die gesamte Geschichte der Christenheit hindurch zieht sich ein schreckliches Missverständnis hinsichtlich der Engelsflügel. Wieso nur haben die theologisch gebildeten Menschen, Pastore, Bischöfe, ja sogar die Päpste nie begriffen, dass sich die Engel, wären ihre Flügel so kurze Stümpfe, wie auf religiösen Gemälden dargestellt und in kirchlichen Schriften beschrieben, nie in die Lüfte erheben könnten. Selbst wenn es ihnen vielleicht gelänge, mit der Unterstützung des Windes und von einem Hügel aus ein Stückchen zu flattern, würden sie doch alsbald wie ein Stein zu Boden fallen, und dieses Unglück mit anzusehen, geschweige denn anzuhören, wäre ganz sicher nicht erhebend.
Engel sind also prachtvolle Vögel. Neben ihnen wirkt selbst der stolzeste Seeadler bescheiden wie ein
Weitere Kostenlose Bücher