Schutzengel mit ohne Flügel
Seeufer angekommen, rief er dumpf herüber:
»Alles nur Kanonenfutter, keiner von euch Teufeln hat das Zeug zum Offizier!«
Die Freunde verbrannten die Reste der Skier und Stöcke im Feuer, womit die Angelegenheit allerdings nicht erledigt war. Aaro und Oskari bekamen für das Entwenden und Verbrennen der Skier ihres Ausbilders acht Tage Arrest aufgebrummt, außerdem mussten sie die Kosten erstatten. Siiloinen kaufte sich für das Geld neue und bessere Skier, hörte aber mit den Schikanen auf.
Oskaris Muskelzuckung machte ihm seither kaum mehr zu schaffen, das Auge und der Wangenmuskel zuckten nur noch, wenn er sich besonders herzlich freute, wie jetzt über die Begegnung mit seinem alten Armeekameraden Aaro Korhonen.
Oskari spendierte eine Runde Zigaretten und bat seinen Freund schließlich, ihm zu helfen, den Leichnam in die Kapelle des Krematoriums zu tragen. Der zuständige Mitarbeiter würde erst in einer Stunde kommen, aber als Fahrer des Leichenwagens hatte Oskari von Amts wegen einen Schlüssel zur Kapelle. Sie öffneten die Seitentüren und schleppten den Eichensarg hinein. Oskari holte ein weißes Blumengebinde – frische Lilien – aus dem Auto und arrangierte es auf dem Sarg.
»Allein kann ich diese schweren Kisten nicht mehr heben, das macht mein Rücken nicht mit. Früher habe ich mir ein Klavier einfach unter den Arm geklemmt und einen Flügel geschultert.«
Als die Arbeit getan war, erkundigte sich Aaro, ob es sich bei dem Leichnam um einen Mann oder eine Frau handelte, sofern die Frage gestattet sei.
»Moment, ich hole den Frachtbrief.«
Laut Fahrtenbuch des Bestattungsinstituts Lindell lag im Sarg eine Frau namens Hilma Katariina Väisänen, Gastwirtin, gestorben im achtundsiebzigsten Lebensjahr. Die Trauerfeier würde um elf Uhr beginnen, und anschließend ginge es für Oskari im Eiltempo nach Honkanummi, ein Polier aus Vallila hatte das Zeitliche gesegnet, auch für ihn war ein Eichensarg bestellt. Am Nachmittag müsste er dann das Fahrzeug in die Werkstatt bringen.
Hier stutzte Oskari und stellte Überlegungen an, ob da vielleicht eine Verwechslung vorlag, da die Gastwirtin hier in einem Eichensarg lag, obwohl es sich laut Transportpapieren um einen Kiefernsarg handeln sollte, der mit einem weißen, spitzenumsäumten Tuch verhüllt war.
»Das muss ich überprüfen.«
Oskari schraubte den Deckel auf.
Im Sarg ruhte friedlich ein etwa fünfzigjähriger Mann, die Augen geschlossen, wie es sich gehörte, und die Hände auf der Brust gefaltet. Graues Haar, am Kinn sprießender Bartwuchs. In jeder Weise stilvoll darauf vorbereitet, verscharrt zu werden.
»Da hab ich ja Schwein gehabt, es ist keine Frau, dies muss der Polier sein.«
Eile war geboten. Es galt, die offizielle Hilma Katariina Väisänen aus der Leichenhalle zu holen und den Polier nach Honkanummi zu schaffen. Oskari schätzte, dass er die beiden Leichen innerhalb einer halben Stunde austauschen könne, aber er wollte, dass Aaro bei der Kapelle wartete, wenn er Hilma brächte. Gemeinsam schraubten sie die Reisekiste des Polier zu und hievten sie eilends wieder ins Fahrzeug.
Eine halbe Stunde später fuhr der Leichenwagen mit qualmenden Reifen wieder beim Krematorium vor. Die Hecktür aufgerissen, den Sarg mit vereinten Kräften nach drinnen gewuchtet und mit professionellen Griffen auf die Schienen zum Ofen gestellt. Oskari erklärte, dass dies das erste Mal sei, dass bei Lindell die Leichen vertauscht worden waren. Aaro vermutete, dass Tote öfter fälschlich verbrannt und an den falschen Stellen und unter falschem Namen bestattet wurden, aber da die Särge nicht geöffnet werden, bemerkt niemand die Verwechslungen. Die Leiche einer Kneipenwirtin brennt nicht anders als die eines Poliers.
Als Oskari bereits wieder unterwegs war, kam ein Bursche im schwarzen Mantel angeradelt, der sich als Pastor vorstellte. Er hielt Aaro für den Krematoriumsangestellten, gab ihm forsch die Hand und erklärte, dass es an diesem Tag im Urnenhain zwei Bestattungen gebe, mit Reden für die jeweilige Asche. Just in diesem Moment tauchte der Mann auf, der eigentlich zuständig war. Aaro übergab ihm die Amtsgeschäfte und setzte erleichtert seinen Weg zur Mechelininkatu fort. Am Zaun des Friedhofes sprang ihn ein Eichhörnchen an und hängte sich fordernd an sein Hosenbein, aber als es merkte, dass er keine Nüsse dabeihatte, ließ es ihn in Ruhe. Der Tag war noch jung. Aus Erfahrung wusste das Tier, dass bald jede Menge trauernder Besucher
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