Schutzengel mit ohne Flügel
kleiner Sperling. Nur den riesigen Albatros kann man halbwegs mit Sulo Auvinen oder den anderen größeren männlichen Engeln vergleichen. Der Albatros gehört ja zur Familie der Sturmvögel, und er nistet auf einsamen Ozeaninseln. Manchmal gleitet er tagelang auf seinen mächtigen Schwingen dahin, deren Spannweite bis zu vier Metern beträgt. Der Albatros lebt in Kolonien und legt jeweils nur ein großes Ei, ist also auch in dieser Hinsicht den Engeln ähnlich – auch der Mensch produziert ja jährlich nur einen Nachkommen, ein Kind also, lediglich in Ausnahmefällen werden Zwillinge oder manchmal sogar Drillinge geboren.
Ornithologisch könnte man die Engel also als Obergattung der Familie der Albatrosse bezeichnen, wenn dieser Vergleich gestattet ist. Heißen die Albatrosse mit lateinischem Namen Diomedea exulans, so könnte man die Engel entsprechend Diomedea angelus nennen. Ansonsten allerdings sollte man sich hüten, die Engel als Vögel einzustufen, denn sie haben, außer den Flügeln und dem Schwanz, kaum andere Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel Sulo Auvinens Beine sind die ganz typischen Stampfer eines Savolaxers, er hat keine Schwimmhäute und auch keine Adlernase, geschweige denn ein alles bedeckendes Federkleid. Auch befinden sich seine Afteröffnung und seine Geschlechtsorgane dort, wo sie auch früher schon waren, und nicht wie bei Vögeln unter dem Schwanz inmitten von allerlei Gefieder. Eine ganz andere Sache ist, ob Sulo Auvinen oder die anderen Schutzengel diese letztgenannten Organe noch brauchen. Schließlich leben sie durch den Geist, wie es in der Bibel so schön heißt.
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DER GRUNDKURS FÜR SCHUTZENGEL
Die Holzkirche von Kerimäki ist weltweit die größte ihrer Art. Sie ist fünfundvierzig Meter lang, zweiundvierzig Meter breit und dreißig Meter hoch. Nicht einmal die finnischen Domkirchen in Turku und Helsinki haben diese Ausmaße, womit klar wäre, warum nicht sie den Himmel beherbergen. In den Balkentempel von Kerimäki also passten ohne Weiteres die fünfhundert Engelsaspiranten, die den ersten Grundkurs für Beschützerdienste im Jahre 2004 besuchten.
Der heilige Petrus eröffnete das Seminar und sprach über die unvollkommenen Lebensgewohnheiten der Menschen, aufgrund derer sie himmlischen Schutz benötigten. Er hob hervor, dass die bevorstehende Arbeit geistig anspruchsvoll sei, nannte sie aber zugleich auch außerordentlich befriedigend. Nach seiner Eröffnungsrede verwies er auf die zahlreichen Pflichten, die ihn rufen würden, und flog davon, wobei er versprach, zur Abschlussveranstaltung wieder anwesend zu sein. Anschließend wurde ein alter Engel aufgerufen, den Gabriel als Theodor Tolpo vorstellte, ein Zimmermann und Kirchenbauer, der im neunzehnten Jahrhundert gelebt hatte. Er wurde gebeten, etwas über die Kirche zu erzählen, denn er hatte sie einst zusammen mit seinem Vater erbaut. Während der laufenden Arbeiten am Bau war der Alte gestorben, und der Sohn hatte weitergemacht und die schwere und verantwortungsvolle Arbeit in Ehren vollendet.
»Man hat mich gut Hundert Jahre lang wegen der unerhörten Ausmaße des Gebäudes aufgezogen, immer wieder wurde behauptet, wir hätten uns bei den Messungen geirrt, hätten Meter und Klafter verwechselt. Aber das ist Quatsch, wir haben die Kirche so gebaut, wie die Ortsbewohner sie haben wollten und wie es in den Entwürfen vorgesehen war.«
Tolpo war ein ernster Mann, auf seine Worte war Verlass. Die Engelsschar folgte dem Erbauer ins Innere des riesigen Balkengebäudes.
Der Architekt A. F. Granstedt hatte den Entwurf geliefert. Die Kirche wies Elemente der Antike, der Gotik, des romanischen und sogar des byzantinischen Stils auf, ganz wie es für die Zeit typisch war. Der Architekt hatte sich unter anderem an den Domkirchen von Florenz und Aachen und sogar an der Hagia Sophia von Konstantinopel orientiert.
Tolpo stammte aus Vihti und war im ganzen Land unterwegs gewesen, um Kirchen zu bauen. Er erzählte, dass er fünfundzwanzigtausend Silberrubel für seine Arbeit erhalten hatte, keine ganz kleine Summe, sie entsprach etwa einer halben Million Euro. Bautechnisch war die Kirche schwieriger zu realisieren gewesen als ein entsprechendes Objekt aus Stein. Das Dach des Gebäudes wird getragen von riesigen Säulen, auf denen Balken sowie vorgespannte Verbinder ruhen. Der Blick noch oben ist beeindruckend. In die Kirche passen bis zu fünftausend Besucher, sodass die fünfhundertköpfige Engelsschar das Gotteshaus nicht einmal
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