Schutzengel mit ohne Flügel
erschien der Teufel, um die Friedhofsruhe zu stören. Der mehrfache Mörder Launonen trottete missgestimmt über den Kiesweg. Als er den Engel halb schlafend auf Mannerheims Kreuz entdeckte, eilte er erfreut zu ihm, um zu plaudern. Er erzählte, dass er eigentlich schon in Afrika sein müsste, genauer gesagt auf den Kapverdischen Inseln, von wo ein japanisches Frachtschiff nach Brasilien fahren würde. Von dort könnte er dann relativ leicht nach Feuerland gelangen. In Argentinien müsste er ein Pferd stehlen, um damit durch die Pampa bis ans Ziel zu reiten. Pferdediebstahl war kein Problem für ihn, den hatte er schon zu Lebzeiten praktiziert, wie er stolz berichtete.
»Wenn ich das Schiff nicht erreiche, gehen die Missetatspläne den Bach runter.«
Der Schutzengel bekam Mitleid mit dem Teufel. Als Wesen mit gutem Herzen überlegte er, wie es wäre, wenn er Launonen auf die Kapverdischen Inseln geleiten würde. Für einen Engel wäre das relativ einfach. Gabriel würde wohl kaum wegen des kleinen Transports zürnen. Und der Mörder wäre weg aus Finnland und könnte wenigstens hier nichts Böses anrichten.
Sulo Auvinen versprach, sich um die Organisation der Reise zu kümmern. Er wünschte Launonen eine gute Nacht. Der Teufel richtete sich im Abfallbehälter des Friedhofes zum Schlafen ein. Der Engel schwebte unter dem Kreuz des Marschalls.
Am Morgen stiegen sie in die Linienmaschine der Finnair nach Lissabon. Als sie sich im blendend hellen Licht über den Wolken befanden, sagte der Teufel gerührt:
»Selten gelangt unsereins in Himmelshöhen.«
In Lissabon stiegen sie um in eine Propellermaschine der Trans Air Portugal, die bis zum letzten Platz mit Kreolen gefüllt war. Die Inselgruppe der Kapverden war jahrhundertelang eine portugiesische Kolonie gewesen, erst Ende des vergangenen Jahrhunderts hatte sie ihre Unabhängigkeit erlangt. Besatzung und Passagiere des Flugzeugs sprachen Portugiesisch. Der Teufel fand sich gut zurecht, aber der Engel hatte Probleme. Er bat Launonen, der auf die Gepäckablage geklettert war, seine mehr als zehn Meter langen Flügel festzuhalten. Ächzend musste der Teufel die Federn an sich pressen, sodass ihm Flaum in die Nase kam. Er beklagte sich und sagte, dass er schon zu Lebzeiten so viel Nähe nicht ertragen konnte.
»Zum Glück haben die Engel keinen Schwanz wie die anderen Vögel. Diese verdammten Flügel machen schon genug Probleme.«
Die Reise war wirklich schwierig. Als die Maschine Gibraltar überflog und Afrika erreichte, zeigte der Teufel seinen wahren Charakter. Er schlug vor, dass Sulo Auvinen ihn in Ruhe ließe und wieder in die Heimat zurückflöge. Er, Launonen, glaube auf der restlichen Strecke allein klarzukommen. Die Notausgänge der Maschine befanden sich auf der Höhe der Tragflächen. Die Tür aufgemacht, und dann ein Sprung in die Wolken! Letztlich war eine Kumpanei mit dem Engel überhaupt nicht gut.
Sulo Auvinen widersprach. Er wollte nicht in fünf Kilometern Höhe die Maschine verlassen, denn die flog mit mindestens fünfhundert Stundenkilometer. Ihm könnten die Flügel abreißen, wenn er bei dem Tempo abspringen würde.
Der Teufel überlegte allen Ernstes, ob er den alten Flügelheini einfach rausschmeißen sollte. Was machte es schon, wenn sich ein Engel die Flügel abbrach, das würde den Oberteufel nur freuen.
Rauno Launonen hangelte sich in den Gang hinunter und zerrte Sulo Auvinen gewaltsam zum Notausgang. Dort saß eine rundliche Kreolen-Oma mit einem Baby auf dem Schoß. Vielleicht hatte sie mit ihrem Enkelkind in Lissabon Verwandte besucht und flog jetzt wieder auf die Heimatinsel zurück. Die Alte steckte dem Baby einen Schnuller in den Mund, aber das Kleine greinte, sehnte sich wohl nach der Mutter. Das machte den Teufel nur noch gereizter. Er riss die Tür auf, packte Sulo Auvinen mit harten Fäusten und versuchte ihn hinauszuschieben. Luft fegte herein. In der Kabine entstand Panik. Die Stewardessen forderten die Passagiere auf, sich anzuschnallen. Die Maschine verlor an Höhe. Sulo Auvinen widersetzte sich mit allen Kräften, aber ein alter Mann wie er war dem Teufel und seinen harten Fäusten nicht gewachsen. Der schob ihn mit Gewalt durch die Tür, und nachdem er einmal in Fahrt war, schleuderte er auch gleich noch die kreischende alte Kreolin und anschließend das Baby hinterher. Erst dann beendete er seine Mordtaten und zog die Tür zu.
Sulo Auvinen fiel wie ein Stein dem Atlantik entgegen. Er konnte noch sehen, wie die alte
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