Schutzengel mit ohne Flügel
nahm, war manches Unternehmen sogar »höllisch« schiefgelaufen, obwohl Sulo diesen Ausdruck in offiziellen Zusammenhängen nicht verwenden wollte, auch wenn er im tiefsten Inneren so dachte.
Määttä und Auvinen flogen für ihr Gespräch auf den Friedhof von Hietaniemi und ließen sich auf Urho Kekkonens Grab nieder. Der Stein des ehemaligen Präsidenten war wie eine Bank, auf der auch zwei Engel gut Platz hatten.
Sulo Auvinen hatte diese Begegnung ganz umsonst gefürchtet. Der Engel Gabriel glättete seine vom langen Flug aufgeplusterten Flügelfedern und begann:
»Du, Sulo Auvinen, hast einen großen Kampf gegen den Teufel ausgefochten und bist als Sieger daraus hervorgegangen. Ich gratuliere dir.«
Gabriel erinnerte Sulo daran, dass beim Kampf zwischen Gut und Böse nicht immer alles so positiv lief wie beabsichtigt. Das traf auf Erden zu, aber auch bei ihnen im Himmel. So war das Leben nun mal.
»Ich habe mein Bestes gegeben«, murmelte Sulo Auvinen erleichtert.
So schlimm schien das Gespräch nicht zu werden. Der alte Mann war froh darüber. Ein Engel von mehr als achtzig Jahren legt keinen Wert darauf, ständige Missgeschicke zu ertragen. Das steht er nicht durch.
In Kerimäki hatte man beschlossen, Sulo Auvinen fur neue, anspruchsvollere Aufgaben einzusetzen. Die Probezeit hatte gezeigt, dass er Zähigkeit und Fantasie, dazu die vielfältigen Erfahrungen eines langen Lebens und vor allem Tatkraft besaß. Gerade solche Leute wurden im Himmel gebraucht. Sulo sollte himmlischer Leiter des Schutzbereiches werden und somit für den Schutz aller Finnen verantwortlich sein. Ihm würden Tausend Engel unterstellt, die er schulen und denen er Schutzbefohlene zuweisen sollte. Er selbst brauchte jedoch nicht an der eigentlichen Basisarbeit teilzunehmen, wenn man sich dieses Begriffes hier in den Höhen des Himmels bedienen wollte.
»Mein Sohn, du bist standhaft wie unser Herr Jesus Christus, den der Erzfeind auf dem Berg in Versuchung führte. Jesus blieb fest, und das bist du auch geblieben. So etwas ist groß und schön. Das Gute besiegt stets das Böse, selbst wenn der Teufel noch so verlockende Angebote bereithält. Du bist letztlich ein guter Mensch und ein großartiger Engel.«
Gedankenverloren kam Rauno Launonen, der erfolglose Werber des Satans, an Kekkonens Grab vorbei. Er bot einen traurigen Anblick, wirkte enttäuscht. Kleine Eichhörnchen hatten sich an seine Hosenbeine gehängt. Tiere sehen mehr als Menschen, oder zumindest haben sie einen scharfen Instinkt. Rauno Launonen holte »Teufelsdreck« aus der Tasche, eine wirksame, althergebrachte Arznei, die er auf den Kiesweg streute. Die Eichhörnchen, der Nüsse überdrüssig, stürzten sich freudig darauf.
Die Engel begrüßten den Teufel, der erstaunt an Urho Kekkonens Grabstein stehen blieb.
»Du solltest für uns arbeiten«, sagte Gabriel sanft.
»Sicher würde es guttun, aber meine Natur widersetzt sich.«
Der Teufel schlurfte, von huschenden Eichhörnchen begleitet, in Richtung der Gräber des alten Friedhofsteils davon. Bitteres Schluchzen war zu hören, das Böse brach in Form von Tränen aus ihm heraus.
Aber bald erschien auf dem Kiesweg ein bekanntes Pärchen, Viivi Ruokonen und Aaro Korhonen.
Die beiden spazierten Arm in Arm. Aaro erzählte Viivi voller Freude, dass das Mädchen, das ihn aus Versehen in der Mechelininkatu angefahren hatte, demnächst im Antiquariat arbeiten würde. Oder sollten sie es so machen, dass Viivi das Antiquariat übernähme und das Mädchen das Café?
Viivi umarmte ihn.
»Ich bin total verknallt in dich.«
Sulo Auvinen sprach mit der zitternden Stimme eines alten Religionslehrers:
»Friede auf Erden und im Himmel, den Menschen und Engeln ein Wohlgefallen.«
Gabriel, der im Winterkrieg erschossene Unteroffizier Kalle Määttä, fügte hinzu:
»Auch rohe Kraft ist erforderlich, damit die Teufel nicht über die Stränge schlagen.«
29
REISEHILFE FÜR DEN TEUFEL
Unteroffizier Määttä flog nach Kerimäki. Sulo Auvinen blieb auf dem Friedhof von Hietaniemi und begab sich zur Nachtruhe. Er ließ sich auf dem Kreuz an Marschall Mannerheims Grab nieder, dort würde er zumindest eine Nacht lang schweben können. Als Offizier im Rang eines Leutnants glaubte er, sich diese Eigenmächtigkeit herausnehmen zu können.
Sulo setzte sich auf die Querstrebe des Kreuzes. Seine Flügel reichten fast bis auf die Erde hinunter. Nach den guten Taten dieses Tages würde ihm der Schlaf wohltun. Doch erneut
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