Schwaben-Sumpf
Esslingen. Bauen Häuser. Dort Sie heute finden Dejan i Nenad.«
12. Kapitel
Die Schlagzeilen der Zeitungen am Dienstag waren von verblüffender Ähnlichkeit. Katrin Neundorf blätterte sich durch den Stapel, den sie in ihrem Büro fand, wunderte sich nicht. War es wirklich anders zu erwarten gewesen, so wie die Pressekonferenz am Vorabend gelaufen war?
Zwei junge Ausländer als Mörder Jessica Heimpolds verhaftet.
DNA überführt Ausländer des brutalen Mordes an jungem deutschen Mädchen.
Schon wieder verwahrloste junge Ausländer als Täter: DNA-Test als Beweis.
Dazu die Gesichter der beiden Verhafteten in Großaufnahme, die sie genauso unsympathisch wie auf den Fahndungsporträts erscheinen ließen. Sie hatte mit äußerstem Widerwillen an der Seite Kochs an der Pressekonferenz teilgenommen, ununterbrochen darum bemüht, sich von den plakativen und allzu vollmundigen Aussagen des Oberstaatsanwalts zu distanzieren und sie nur als vorläufige und noch nicht bewiesene Ermittlungsergebnisse darzustellen.
Koch war am Montagmorgen unmittelbar vor ihrem Zugriff auf die beiden verdächtigen Brüder telefonisch vorstellig geworden, hatte den Fall persönlich übernommen. »Das einzige Kind der Heimpolds ermordet?«, hatte er gefragt, »wissen Sie, wen Sie da vor sich haben?«
Neundorf war die Antwort schuldig geblieben. Irgendein reicher Geldsack oder ein schwergewichtiger Industriebonze, schwante ihr. Sie dachte an die pompöse Villa, in der die Familie lebte. Wenn Koch sich persönlich einmischte, herrschte höchste Alarmstufe im Ländle. Der Unsympath interessierte sich nur für Existenzen der gehobenen Klassen.
»Herr Heimpold genießt höchstes Ansehen. Seine Firma leistet unermesslich wertvolle Dienste für unsere Industrie«, hatte er seine Frage selbst beantwortet. »Zulieferer, verstehen Sie, Zulieferer. Die Familie verdient unsere rückhaltlose Anteilnahme an ihrem Schicksal. Was wir jetzt aufbringen müssen, ist volle Konzentration auf das Wesentliche. Alle verfügbaren Kräfte für diese Ermittlung. Ich persönlich werde die Untersuchungen leiten. Welche Ergebnisse haben Sie bis jetzt vorzuweisen?«
Sie hatte ihm alles detailliert vorgetragen, war von seiner fast kindlich-naiven Begeisterung überrascht worden. »Zwei Ausländer als Tatverdächtige, und wir stehen unmittelbar vor der Festnahme? Das ist gut, sehr gut sogar. Das macht sich hervorragend! Da haben wir ja gleich den Damen und Herren von der Presse ordentlich was zu bieten. Zwei Ausländer! Wunderbar!«
Der Oberstaatsanwalt hatte es sich nicht nehmen lassen, den Zugriff persönlich zu leiten. Kurz nach elf Uhr am frühen Mittag waren Dejan und Nenad Vukmirovic auf dem Gelände der Baufirma Ljubic in Esslingen auf Kochs Anordnung von einem zwanzig Mann starken Sondereinsatzkommando des Landeskriminalamtes ohne nennenswerte Gegenwehr festgenommen und nach Stuttgart überführt worden. Das Verhör der beiden Männer hatte unmittelbar nach der Blutabnahme in getrennten Räumen stattgefunden.
»Das ist nur noch eine Frage der Zeit«, war Kochs Befund, »junge, verwahrloste Ausländer ohne jede Skrupel. Schauen Sie sich diese schmuddeligen Typen doch an. Die wollten das Mädchen flachlegen, und weil sie ihnen nicht zu Willen war, musste sie dran glauben. Die kochen wir vollends weich.«
Neundorf musste dem Mann angesichts des ersten Eindrucks der beiden Verhafteten recht geben, zumal das seit dem frühen Montagnachmittag vorliegende Ergebnis des DNA-Tests eine eindeutige Antwort zu liefern schien: Das Blut auf der Stufe unterhalb des Fundortes der Leiche stammte von Dejan Vukmirovic. War der junge Mann damit endgültig als Mörder Jessica Heimpolds überführt, wie Koch fast frohlockend verkündete?
Neundorf wusste nicht, weshalb sie dennoch zögerte, sich jetzt schon einem endgültigen Urteil anzuschließen. Resultierte es wirklich aus dem unbefriedigenden Verlauf der Verhöre, die zu keinem akzeptablen Ergebnis, wohl aber zu unablässigen Unschuldsbeteuerungen der beiden Festgenommenen geführt hatten? Oder war es bloße Antipathie gegen den Oberstaatsanwalt? Natürlich musste sie sich davor hüten, seine Auffassung allein deswegen abzulehnen, weil sie ihn und seine gesamte Weltanschauung, die sie in den vergangenen Jahren zur Genüge kennengelernt hatte, verabscheute.
Koch hatte nicht per se unrecht, das war ihr klar. Zwar war es einzig und allein dem richtigen Parteibuch zu verdanken, dass er es bis in die Spitze der
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