Schwaerzer als der Tod Thriller
wenn man nichts zu verbergen hat, muss man sich darüber wohl auch keine Sorgen machen.«
Er lehnte sich zurück und legte den linken Fuß über das rechte Knie, so als gehörte es zu einem ganz normalen entspannten Samstagvormittag, dass man dabei zusah, wie Spuren an einem Tatort gesammelt wurden.
»Gut, dass Sie so früh hier waren«, sagte er dann.
»Jane und ich waren verabredet. Wir sollten ja noch an diesem Morgen vor die Presse treten.«
»Nur fünf oder zehn Minuten später, und die junge Frau wäre vielleicht tot gewesen. Jetzt besteht die Möglichkeit, dass sie uns sagen kann, wer sie entführt hat.«
»Ich habe gelesen, dass der Mann Lisas Augen zugeklebt hat«, sagte Morgan. »Damit sie ihn nicht sehen kann. Hat er das bei Karly auch gemacht?«
»Ich glaube nicht, dass das sein Beweggrund war«, sagte Vince und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. »Ich glaube, es hat vielmehr mit seinen Phantasien zu tun. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Die Frauen werden auf diese Weise zu Objekten für ihn. Hübsch anzusehen, und das reicht. Viele Männer würden sagen, dass es alles verdirbt, sobald eine Frau den Mund aufmacht.«
Morgan nickte bestätigend.
»Wie geht es Ihrer Familie, Steve?«, fragte Vince unvermittelt. »Hat sich Ihre Tochter nach dem Schock wieder gefangen?«
»Wendy kann einiges wegstecken.«
»Und Sie? Jetzt haben Sie ja am eigenen Leib erfahren, wie
es für Wendy gewesen sein muss, als sie über die Leiche im Wald gestolpert ist.«
»Ich wünschte natürlich, dass ihr das nie passiert wäre.«
»Kann ich mir denken.«
Mendez kam von der Grube herüber und machte sich dabei Notizen in seinem Notizbuch. »Sie haben in dem Arroyo ein paar ziemlich gute Schuhabdrücke gefunden.«
»Wo?«, fragte Vince. »Haben Sie Mitleid mit einem armen Kerl aus Chicago.«
»Im Arroyo. Den Hügel runter. Da ist ein Bach. Der Boden ist gerade feucht genug, damit sich dort ein Abdruck gut hält.«
»Ausgezeichnet.«
»Mr Morgan«, sagte Mendez, »ich muss Sie leider fragen, wo Sie letzte Nacht waren.«
»Wie jeder normale Mensch lag ich im Bett. Jane sagt, sie glaubt, den Kerl kurz nach drei gehört zu haben - oder vielmehr haben ihn die Hunde gehört.«
»Und wann sind Sie eingetroffen?«
»Kurz vor sieben.«
»Wahnsinn, was?«, sagte Mendez. »Dass die junge Frau noch am Leben ist.«
»Wahnsinn, ja«, sagte Morgan. Ächzend erhob er sich, fast wie ein alter Mann. Die dunklen Schatten unter seinen Augen zeugten von zu wenig Schlaf. »Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, werde ich jetzt zu der Suchmannschaft gehen und die Leute informieren. Die Suche ist vorbei.«
Sie sahen ihm hinterher, als er um die Ecke des Hauses verschwand.
»Das muss man sich mal vorstellen«, sagte Mendez, »er hat nicht einmal den kleinen Finger gerührt, um ihr zu helfen - ich meine Jane. Sie läuft aus dem Haus, findet die junge Frau in der Erde und fängt an zu graben, und Morgan
steht nur da und sieht ihr zu. Ich finde das reichlich merkwürdig, Sie nicht?«
»Ja«, sagte Vince, »vielleicht stand er unter Schock.«
»Oder er hatte Vergnügen an der ganzen Sache.«
Vince schlug ihm auf den Rücken. »Jetzt denken Sie langsam wie ein Fallanalytiker.«
59
Wendy war früh aufgestanden und hatte einen hellblauen Rollkragenpulli und eine Latzhose angezogen. Sie flocht ihre Haare zu zwei dicken Zöpfen, so gefiel es ihrem Vater am besten.
Sie hatte vorgehabt, die Treppe hinunterzuspringen und ihrem Vater bei den Frühstücksvorbereitungen zu helfen wie jeden Samstag, wenn er zu Hause war. Sie beide standen dann immer früh auf und bereiteten das Frühstück vor, während Wendys Mutter ausschlief. Sie machten verrückte Pfannkuchen, zum Beispiel Kürbis und Karamell, und schnitten Herzen daraus oder so. Die Samstage mit ihrem Dad waren einfach toll.
Dann fiel ihr ein, dass ihr Vater weggefahren war.
Aber er würde sicher bald zurückkommen, weil ja Samstag war und sie ihre Tradition hatten. Er mochte wütend auf ihre Mutter sein, aber doch nicht auf sie. Bestimmt würde er bald nach Hause kommen und zusammen mit ihr Pfannkuchen machen.
Dann würde sie ihn überreden, mit ihr in den Park zu gehen. Sie wollte ihm zeigen, wo es passiert war. Sie wollte ihm von ihrer Idee erzählen, ein Buch und/oder ein Drehbuch darüber zu schreiben.
Das hatte sie vorgehabt.
Aber als sie in die Küche kam, war ihr Vater nicht da. Im Haus war es still, nur das Brummen des Kühlschranks war zu hören.
Wendy wurde das
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