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Schwaerzer als der Tod Thriller

Titel: Schwaerzer als der Tod Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Tränen. Er drückte seinen Stift so fest auf, dass das Papier zerriss.
    Anne musste an den gestrigen Abend denken, an das Haus der Farmans und Frank Farmans Versprechen, dass er sich Dennis vorknöpfen würde.
    Sie sah auf die Uhr und richtete sich auf. »Na gut. Geht leise raus und stellt euch im Flur zum Mittagessen auf.«
    Dennis wollte aufspringen. Anne legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du nicht.«
    Er zuckte zusammen und wich zurück, als hätte sie ihn verbrannt.

    Die anderen Kinder sahen sich beim Hinausgehen mit fragenden Blicken nach ihnen um. Sobald sie draußen waren, würden sie sich mit den wildesten Spekulationen über das Schicksal des Störenfrieds der Klasse gegenseitig übertrumpfen.
    »Der Letzte macht bitte die Tür hinter sich zu«, sagte Anne.
    In der folgenden Stille wuchs die Spannung im Raum, bis sie schließlich einem Ballon kurz vor dem Platzen ähnelte. Anne zog sich den Stuhl von Cody Roache heran und setzte sich.
    »Hast du Ärger bekommen, weil du gestern Schule geschwänzt hast?«
    Dennis wich ihrem Blick aus, und seine Wangen wurden noch röter.
    »Weißt du, es hilft dir nicht, wenn du das alles in dich reinfrisst, Dennis. Wenn du wütend bist, dann sag es. Das geht uns beide an. Aber ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir sprichst.«
    Er drehte sich auf seinem Stuhl herum, bis er ihr praktisch den Rücken zuwandte. Anne schwieg einen Moment, unschlüssig, wie sie weiter vorgehen sollte. Sie hatte die schlimmsten Befürchtungen, was passiert sein könnte. Sie hatte Frank Farman die Stirn geboten. So etwas war in seinen Augen womöglich so etwas wie eine Majestätsbeleidigung. Und vielleicht hatte er seine Wut darüber an Dennis ausgelassen.
    Ihr Vater hatte nie die Hand gegen sie oder ihre Mutter erhoben, dafür kannte Anne alle anderen Formen von Bestrafung, die sich ein zorniger Mann mit einem übergroßen Ego ausdenken konnte. Wie oft hatte ihr Vater ihre Mutter mit seinen verletzenden Worten in ein zitterndes, schluchzendes Häuflein Elend verwandelt? Und wie oft hatte er bei ihr dasselbe versucht?

    Weil Anne sich schon sehr früh emotional von ihm distanziert hatte, zeigten seine Tiraden bei ihr nie die gleiche Wirkung wie bei ihrer Mutter, die ihn geliebt hatte. Aber Anne konnte sich noch gut an den Ärger und den Groll erinnern, die in ihr stetig größer geworden waren, als würde Stein um Stein eine Mauer hochgezogen. Sie hatte Möglichkeiten gefunden, damit umzugehen, den Druck abzulassen, wenn sie es nicht mehr aushielt. Dennis hatte diese Möglichkeiten nicht.
    »Bist du böse auf mich?«, fragte sie.
    Der Junge war wie erstarrt vor Wut. Der Versuch, sie zu beherrschen, kostete ihn solche Anstrengung, dass er zu zittern begann, bis er schließlich nicht mehr dagegen ankam. Er drehte sich zu Anne um und sah sie mit funkelnden Augen an.
    »Ich hasse Sie!«, schrie er. »Ich hasse Sie! Fiese Sau!«
    Auf einen solchen Ausbruch war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, ihr Herz hämmerte wie wild gegen ihre Rippen, während er weiter seine Wut hinausschrie.
    Er trommelte mit den Fäusten auf den Tisch. »Ich hasse Sie! Ich hasse Sie! Ich wollte, Sie wären tot!«
    Na, was jetzt, du Möchtegernkinderpsychologin?
    Sie hatte eine Tür geöffnet und einen Dämon befreit. Was sollte sie tun? Ihn packen und festhalten? Ihn toben lassen, bis er erschöpft war? Ihn dazu bringen, seine Gefühle wieder in das Verlies mit der jetzt schief in den Angeln hängenden Tür zu sperren?
    Während Anne krampfhaft überlegte, ließ sich Dennis vornüber auf den Tisch fallen und begann so heftig zu schluchzen, dass er beinahe keine Luft mehr bekam.
    Mach was, dumme Kuh.
    »Es tut mir leid, Dennis«, sagte sie, und ihre Stimme zitterte
ein wenig. »Es tut mir leid, wenn ich dich in Schwierigkeiten gebracht habe. Das wollte ich nicht. Ich bin zu dir nach Hause gefahren, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.«
    Sie wusste nicht, ob sie das Richtige sagte. Aber vielleicht hörte er sie ja nicht einmal, so laut, wie er schluchzte. Anne empfand tiefes Mitleid mit ihm. Er war ein richtiges Ekel, und es verging kein Tag, an dem er ihre Geduld nicht auf eine harte Probe stellte, aber sie wusste, dass er nicht von allein so geworden war. Hinter all den Problemen verbarg sich letztlich nur ein verängstigter kleiner Junge, der nicht wusste, wie er mit seinen Gefühlen umgehen sollte. Wahrscheinlich war seine Angst ebenso groß wie seine Wut.
    Anne

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