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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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verlieren, glaub mir, sagte der Mann, er fing wieder leise an zu pfeifen, Grieg, In der Halle des Bergkönigs , wie der Mörder bei Lang. War er ein Mörder oder würde es sein? War es sein Fehler oder der ihre, machte hier einer gerade einen Fehler? Fühlte er sich überlegen und zu Recht? Hatte er alles vorausgeahnt und geplant, war er wie Gott? Und sie konnten nur noch als Marionetten in seinem Arrangement mittun? Was konnte sie sonst tun? Hatten sie alles richtig überlegt und was hatten sie eigentlich überlegt.
    Er war in der Mitte der Lichtung stehen geblieben, keine drei Meter von ihnen entfernt, und schien auf sie zu warten. Er hielt kurz inne im Pfeifen und sagte:
    Wobei, der Ordnung halber zählen wir aus:
    Warte, warte nur ein Weilchen,
    bald kommt der schwarze Mann zu dir,
    mit dem kleinen Hackbeilchen
    macht er Schabefleisch aus dir.
    Er hielt die Pistole wieder auf David gerichtet, wusste ichs doch, sagte er befriedigt, und siehst du? Das Schicksal gibt mir recht, du bist zuerst dran.
    Das ist nicht Schicksal, das ist Zufall, sagte Frederik rügend.
    Umso schlimmer für euch, dann geben mir das Schicksal und der Zufall recht, damit sinken eure Chancen, das hier zu überleben, auf unter null.
    Sie sind ein komischer Rechenkünstler, wo haben Sie denn gelernt, sagte Frederik abschätzig, bei Pipi?
    Hör mal, wenn du meinst, das wäre der Zeitpunkt, hier witzig zu sein –
    Ich bin nicht witzig, sagte Frederik entrüstet, ich habe überhaupt keinen Sinn für Humor.
    Ich auch nicht!, bellte der Mann.
    Interessant, sagte Frederik verbindlich. Meine Oma übrigens auch nicht.
    Ich auch nicht, sagte David kläglich, er starrte immer noch die auf ihn zielende Pistole an.
     
    Bisschen viele Adjektive, sagte Olaf.
    Ja, sagte ich, Zeit der Adjektive.
    Geht wieder vorbei?
    Aber klaro!
     
    Sagt mal, der Mann hatte ein rotes Gesicht bekommen und strich sich mit der freien Hand über den Kopf, habt ihr noch alle Tassen im Schrank?
    Frederik tat so, als würde er scharf nachdenken, nö!, rief er dann fröhlich, und Sie?
    Der Mann schaute ihn eine Weile an, dann schaute er David eine Weile an und dem wurde es ganz anders. Der schaute einen an, dass man alles zugeben wollte, sofort, sogar, wenn es nichts zuzugeben gab.
    Er begann wieder leise zu pfeifen, düdelte gemütvoll vor sich hin, als wäre das ein Stück wie jedes andere. Oder war es einfach nur ein Stück wie jedes andere? Hatten sie sich hier wahnhaft in was reingekniet, nein, mitsamt dem ganzen Leib reingelegt, wie Leute das gerne sagen, wenn ihnen was besonders gut mundet? Frederiks Vater sagte gern, beispielsweise angesichts einer delikaten Dessertkreation wie Kanarimilch mit schwimmenden Inseln: Da könnt ich mich reinlegen!
    Frederik dachte an seinen Vater. Weiß der Teufel, wies kam, aber er dachte an seinen schwierigen Vater, weil, seien wir ehrlich, alle Väter sind schwierig. Er dachte an seine Mutter, anders, sicher, aber auch nicht besser, Väter und Mütter: einfach schwierig. Er dachte an seine Eltern und erinnerte sich an das Thema der Triangulierung, das Dr. Huhn ihm einmal gegen seinen Willen erläutert hatte, kurz gefasst sei es, so Dr. Huhn, das Auslagern eines Konflikts aus einer Zweierbeziehung auf einen Dritten. Die Vorstellung eines Dramadreiecks aus Verfolger, Retter und Opfer, erinnerte er dunkel, ermögliche den Rollentausch. Und darum, weils die Situation gerade so hergab und die Assoziation ein faszinierendes und schönes Thema ist, dachte er an Tante Mary mit ihrer Triangel zum Aufstöbern des gemeinen Schweins, er dachte an seine Eltern und seine psychische Triangel mit ihnen und an das gemeinsame Räuber-und-Gendarm-Spielen mit Nachbars und dass sein Vater und Gendarmenkumpel ihm und seiner Mutter zurief: Umzingeln!, und so kams, dass er nun urplötzlich und aus einem assoziativ absolut kohärenten und nichtsdestoweniger absolut spontanen Impuls heraus David zurief:
    Umzingeln!
    Und der eine rechtsherum rannte und der andere linksherum und sie somit von zwei Seiten auf die Unbekannte X zustrebten und der zu pfeifen aufhörte und für einen kurzen, wirklich sehr kurzen Moment verwirrt, ja, nachgerade überrascht aussah, und dann überschlugen sich die Geschehnisse, weil da kam ein Schwein angerannt, ein Riesenvieh und in heller Aufregung, weil es wurde gejagt, es wurde mit Musik geärgert und von Leuten in wollener Unterwäsche verfolgt – wofür es übrigens, aber das nur am Rande, im Englischen eine sehr schöne und knappe

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