Schwätzen und Schlachten
Olaf, dazu ist noch nicht das letzte Wort gesagt), aber er sagte brav ja, Frau von Sydow und nein, Frau von Sydow und ganz bestimmt, Frau von Sydow. Dann aß er noch ein Stück Zwetschgenkuchen.
Im Grunde hatte sie nicht unrecht. Ob er nun hinhörte oder nicht, es war alles ordentlich bei ihm angekommen, vermutlich wegen der Verbindung mit dem herrlichen Duft nach Gebackenem, das öffnete bei ihm irgendwelche Gehirnschranken und sein Aufnahmevermögen verbesserte sich enorm. Das mit dem unterentwickelten maskulinen Multitasken war vielleicht nur ein cleveres Gerücht, on the long umging man damit jede Form von Überarbeitung.
Er roch die gute Butter, hörte: wie lange er denn noch auf Jungspund machen wolle. Den aufheiternden Zimt: Stullen ausfahren und so tun, als läge das Leben noch vor ihm; Hefe und braunen Zucker: er müsse doch irgendwann erwachsen werden.
Ja, dachte er träge, vielleicht nächstes Jahr? Einparken und erwachsen werden?
Faulheit, Feigheit und fadenscheinige Ausreden wolle sie nicht noch einmal hören, sonst würde er sie kennenlernen. Vanille! Wolle er das.
Nein.
Alles in allem solle er sich bessern. Ob er da gut dabei sei.
Ganz bestimmt.
Und essen Sie nicht so viel Schlachsahne, das macht dick, wollen Sie sich mit einer fetten Plauze belasten.
Nein, Frau von Sydow.
Jetzt sehen Sie mal, David. Sie drehte sich auf ihrem Barhocker noch weiter herum und sah ihn direkt an. Anna Snozzi bestückte die Tische mit den Zuckerschälchen, teilte die Milch aus, und will noch jemand Kaffee.
Frau Sydow ließ sich von Onkel Dagobert auch einen Kaffee einschenken.
Onkel Dagobert half mitunter aus. Er hatte eine Aushilfsstelle, wobei Stanjic noch nie eine derart ausfüllende Aushilfsstelle untergekommen war, Onkel Dagobert war Frau Sydows Bruder und nannte sie Mimi. David wusste nicht, woher er das ableitete, sie hieß Auguste.
Handkehrum rief sie ihn nicht etwa Herbert oder Jupp, sie sprach von ihm ganz folgerichtig als Quack.
Arbeitstechnisch gesehen war er langsam, aber hartnäckig.
Manchmal gehts hinauf, manchmal hinunter, sagte Frau Sydow. Dass einem das manchmal zu viel werden kann, kann ich schon verstehen. Aber man kann nicht nur pausieren.
Ich pausiere doch aber nicht, Frau von Sydow, ich mache Musik, ich arbeite, ich fahre die Sandwichs –
Wer redet von Ihren Stullen, Frau Sydow rührte sich Zucker und Milch in ihren Kaffee, wer spricht von Hausmusik. Dieses fiedeln und tröten.
Ich tröte nicht!
Dieses Fiedeln und Tröten. Sie sind doch ein gut aussehender Mann.
Danke, Frau von Sydow.
Sie lassen sich in der Gegend herumschieben, sind Sie vielleicht ein Einkaufswagen?
Nein, Frau von Sydow.
Wie ein Einkaufswagen. Sie überlegte, und zwar, fügte sie dann gemein hinzu, einer von denen, in die man keine Münze reinschmeißen muss.
Das gab ihm natürlich den Rest. Hatte jemand nach Details verlangt?
Stanjic schaute hinter die Theke. Er schaute zu, wie Onkel Dagobert ein Blech frischen Kuchens in Stücke zerteilte und auf Teller lud. Er dachte, dass er dabei interessanterweise keineswegs unmännlich aussah. Onkel Dagobert konnte sich ein Geschirrtuch um die Hüften binden und sah keinen Deut albern aus dabei, eher sah er so aus, als würde er im nächsten Moment lossteppen oder sich einem Segeltörn anschließen. Er konnte eine Jagdgesellschaft anführen zum vielfältigen Tieretöten oder auch den Tee aufgießen, wenn die Jagdgesellschaft ohne ihn lustig gewesen war, seine Autorität hätte kein Mensch je infrage gestellt, weder als Jäger noch als Mann. Er sah aus, als würde er gleich lossteppen, dabei war durchaus möglich, dass dieser Umstand niemals eintreten würde. Er war ein Stepper und musste das nicht durch unablässiges lästiges Steppen unter Beweis stellen, er war ein Jäger und ein Mann, bis hinein in die eleganten Fingerspitzen, so einer muss nicht andauernd einem Schwein hinterherhechten oder sich per Liane von einem Baum zum nächsten schwingen. Frau von Sydow konnte ihn Quack rufen, Quack hier, Quack da, Quack mach dieses, Quack mach jenes, das kratzte ihn nicht die Bohne, mitunter sagte er, Mimi, lass stecken, und sie klappte den Mund zu und hörte augenblicklich auf, ihn im Kakao herumzuschicken.
An all das dachte Stanjic. Denken ist ja wie das Träumen ein ungeheuer rasanter Vorgang. Es passt in ein paar wenige Sekunden allerhand, ohne dass man bei seinem Gesprächspartner etwa den Eindruck von Begriffsstutzigkeit oder gar intellektueller Schwerfälligkeit
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