Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
der Spanschachtel, für die Gemeindemitglieder, sagen die Österreicher vage, und das wars mit der Wiedergutmachung.
    Danke für die kleine Ausführung, sagte Glaser. Ich dachte immer, das Österreich-bashing wäre Davids Domäne.
    David war dem Land einfach nicht gewachsen. Ich hingegen sehr wohl, ich habe es durchschaut. Und wenn man sich mit Raubkunst beschäftigt, muss man sich mit den Österreichern beschäftigen, und wenn man sich mit Kunst beschäftigt, muss man sich mit Raubkunst beschäftigen.
    Seit wann interessierst du dich für Kunst, sagte Glaser.
    Früher, da habe ich einmal Kunstgeschichte studiert, aber erzähl es niemandem weiter, vor allem nicht David, der nimmt mich sonst nicht mehr ernst. Und wie gesagt, ob in der Literatur, ob in der Kunst, ich lande immer in den Alpen. Die Österreicher haben gedacht, wenn sie da was verschludern und dort was verschleppen, sind die, die ihnen was wegnehmen wollen aus den Museen, längst tot und hinüber oder kriegen vom ungewohnt starken Kaffee einen Herzschlag und fallen vom Kaffeehausstuhl, noch bevor sie Meins! sagen können.
    Wenn du in Österreich einen Vortrag halten würdest – so als: Kunsthistoriker –, käme das sicher gut an.
    Ich werde mich hüten. Am Balkan ist es gefährlich. Ich fahre nie nach Österreich, nach alle dem, was David von dem dortigen Krisengebiet berichtet, schon gar nicht. Ich gehe nicht mal freiwillig in die Gebiete, vor denen die Mauer uns geschützt hat. Ich war da nur einmal, um zu schauen, ob sie auch alles sauber abgetragen haben.
    Allmählich kriege ich eine Ahnung, wie gut das ankommen würde, wenn du hier einen Vortrag halten würdest – egal als was.
    Ich werde mich hüten, Balkanblut ist heiß.
    Dabei bist du eigentlich selbst Ossi, ich denke, deine Familie kommt von da oben.
    Seit mir nicht.
    Glaser betrachtete ihn, spielte leise, leise das Cousinenlied.
    Du meinst es wirklich ernst, oder?, sagte Sydow, du gehst jetzt in die Volksmusik.
    Weltmusik.
    Sydow pfauchte, rappelte sich hoch und ging Richtung Tür, stolperte über das Knäuel vom Telefonkabel, meinetwegen, rief er, er schüttelte das Kabel ab, verhedderte sich noch mehr, mein Gott, seufzte er, er bückte sich, löste das Kabel vom Klettverschluss seiner Schuhe, was ist das, die Kathedervereinigung der Telefonopis? Er steckte den herunterbaumelnden Schal wieder fest.
    Sag deiner Oma, dass wir kommen, sagte Glaser, er spielte ein wenig leiser, sag ihr, dass wir alle kommen. Wir spielen das Alle Jahre wieder in der Klezmerversion. Und auch alle anderen Weihnachtshits. Das Weihnachtsoratorium . Die Zeller Weihnacht , alles in der Klezmerversion. Das macht Stimmung. Sag ihr, dass wir alle kommen. David findet Weihnachten in Pommern sicher großartig, das wird für ihn eine völlig neue Erfahrung.
    Du hast ja keine Ahnung, Sydow bückte sich, hob ein Kissen von den Dielen, klopfte den Staub ab und warf es aufs Sofa, du hast überhaupt keine Ahnung. Ihr habt alle einen an der Waffel. Du willst nach Pommern hinauf? Die Wende hat da nie stattgefunden, frag den Wald. Für den Wald hat sich nichts verändert, für den Wald regiert immer noch der Zar und wütet meine Familie wie der Tagebau. Ihr alle habt einen an der Waffel. Ich such mir jedenfalls andere Freunde. Die Welt, rief er gestikulierend, stampfte aus dem Zimmer, die Welt ist Gott sei Dank groß genug! Arrivederci!
    Aha, murmelte Glaser, Arrivederci. Ein Weltbürger. Shalom, rief er ihm hinterdrein, er fiedelte ein bisschen , Zu mir, ja zu mir hin, da ist gekommen meine feine Kusine, schön wie gold und erbensgrün, eine grasig grüne Kusine, eine scharfe Biene, Shalömchen, sagte er nachdenklich, Shalömchen, Friede, Friede, Friede. Liebe Freunde!

46. Was die Welt dringend braucht: den Lektorenroman

    Stanjic fände Weihnachten in Pommern großartig? Vielleicht. Die Idee einer großen, glücklichen Familie? Mit Sicherheit.
    Stanjic kam, wie auch nicht, naturgemäß aus einer Familie, sie war weder groß, geschweige denn glücklich, der bloße Gedanke, es gebe seine eigene Katastrophe, die man gemeinhin einen schwierigen familiären Hintergrund nennt, auch in groß und glücklich, machte ihn butterzart und weich wie Nugat.
    Sie würden also Stanjics Auto vollpacken. Sie würden schon jetzt im Herbst für ein paar Tage im Voraus hinfahren, bevor es familiär und glücklich würde, um die Lage zu sondieren und Vorbereitungen zu treffen, die Oma Sydow ihnen aufgetragen hatte. Putzereien und Geräume, Holz hacken,

Weitere Kostenlose Bücher