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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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eine lange Liste. Sydow wird Gefallen finden an etwas, was er renovieren nennt, und die anderen mit stummem Grausen beobachten. Übrigens war die neue Nachbarin mit von der Partie, sie war nett. Nett? Nein, sie war nicht nett, sie war umwerfend, sie war nicht hübsch, sondern schön wie der Morgen, wenn die liebe Frau Sonne über die Dächer kraxelt, und gescheit bis zum Abwinken. Und sie war ihrer aller Schicksal.
     
    Aber ich greife vor. Du bringst alles durcheinander, jammerte mein Lektor, er wühlte haltlos durch die Manuskriptseiten, das ist das Letzte, was wir jetzt brauchen können, alles hängt von einer astreinen Ordnung, von makelloser Stringenz ab!
     
    Also hübsch der Reihe nach.
    Noch waren sie nicht so weit, noch mussten sie einige Dinge erledigen, noch musste sich was vorbereiten und was zusammenbacken und die Sache durchs Nadelöhr, noch las Stanjic Glasers Seiten zu Ende, aber es brach ab, mittendrin.
    So etwas ist generell ein Ärgernis und hier aber im Speziellen, weil er hatte das dringende Gefühl, dies war ein Text über etwas, was noch passieren würde.
    David Stanjic hatte damit absolut recht. Dieser Text ist so gefährlich, wie er klingt, weil er etwas voraussagt, weil er akut ist und aktuell.
    Stanjic war überzeugt: Glaser hat diesen Text geschrieben. Und: Er ist verrückt geworden. Und weiter: Er wird wen umbringen. Ergo: Er musste in Simons Wohnung.
     
    Wieso eigentlich, fragte Olaf nach kurzem Schweigen, ich meine, wie kommt er eigentlich dazu zu denken, Simon sei ein potenzieller Mörder?
    Na, du hast doch den Schlachten text gelesen, sagte ich.
    Olaf kramte in seiner Umhängetasche.
    Olaf? Du hast doch den Schlachten text gelesen?
    Er hatte irgendeine Verlagsvorschau hervorgezerrt und wedelte sich damit Luft zu, heiß heute, ächzte er.
    Ich schaute nach draußen, es goss aus Eimern und hatte 15 Grad, Berliner Sommer halt. Du hast den Schlachten text also nicht gelesen, stellte ich fest, ich nickte ein bisschen.
    Er warf die Vorschau von sich, du hast ja keine Ahnung, rief er, was ich für einen vollen Terminplan habe, du weißt ja nicht, rief er, was ein Lektor heutzutage alles leisten muss, ahnst du, rief er, zu wie vielen Sitzungen ich alleine verpflichtet bin, die Vertreter, rief er enthusiastisch, sie machen mir das Leben zu Hölle!
    Ich betrachtete ihn interessiert, vielleicht sollte mal jemand endlich einen Lektorenroman schreiben, schlug ich vor, ein ungeschöntes Buch über das harte Los dieser vernachlässigten Spezies.
    Das ist eine ganz ganz super Idee, sagte Olaf angetan, das wird ein ganz wichtiges Buch, eine Revolution.
    Bestimmt, sagte ich.
    Also nur in aller Kürze, sagte er geschmeidig, in dem Schlachten text bereitet der Protagonist also einen Mord vor und Simon gleicht dem Protagonisten.
    Ich seufzte. Wozu umständlich Bücher schreiben, wenn man die Fakten auch in zwei lapidare Sätze packen könnte?
    Mein Lektor tätschelte mir die Schulter, weil Autoren immer nach der Devise handeln: warum einfach, wenns auch kompliziert geht, sagte er.
    Er, Stanjic, musste also in Simons Wohnung, wohlgemerkt ohne, dass Simon ihn förmlich dazu einlud. Er musste in Abwesenheit Simons in dessen Wohnung, um sich den Rest des Textes zu beschaffen und im besten Fall noch andere Indizien und Hinweise zu erschnüffeln.

47. Reizthema Sexismus

    Glaser war nicht recht da. Einerseits ganz offensichtlich, weil man ihn nie zu Gesicht bekam, andererseits aber war er auch, wenn er doch einmal da war, eher nicht da. Er war abwesend, innerlich, und Stanjic kannte diesen Zustand selbst zu gut, um ihn nicht sofort zu antizipieren.
    Ich habe mich, erklärte er Frederik von Sydow bei einer ihrer Autofahrten, damals in diesem Österreich nach Klaras Verlust genauso gefühlt.
    Nach der dicken Klara, präzisierte Sydow.
    David Stanjic ignorierte ihn, er stand über so was. Ich lief in Österreich herum, ich machte meine Arbeit, ich aß, stand auf, ging zu Bett, ich ging zum Bäcker Fuschl, um ein paar – Schrippen!, rief er grimmig, das Wort Semmeln würde ihm, das schwörte er sich hier und jetzt, nie mehr über die Lippen kommen – ich ging zum Fuschl, um ein paar Schrippen, und zum Metzger, um einen Aufschnitt, aber im Grunde war ich – anderswo. Wo?
    Ja, wo? Sydow gähnte, er wollte Kaffee und Schokolade und er war für solch ausführliche Introspektionen nicht zu haben. Ihm hätte es absolut gereicht, wenn Stanjic gesagt hätte, Klara sei ihm zu dick geworden und das Land daher für ihn zu

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