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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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schleudern, es war, dass der Große sich aufrichtete und mächtig wurde und schwer und ein Gesicht wie Ingrimm, es war, dass er mit gekrümmtem Finger das Grollen herbeilockte und mit der anderen Hand den Himmel zerteilte, es war ein Gewitter wie eine böse Prophezeiung, es kam näher.

52. Die beiliegende Fahrradkarte

    Zufrieden?, fragte ich, ich kam gerade von der Toilette zurück und setzte mich wieder meinem Lektor gegenüber an den Tisch.
    Ich weiß nicht recht, er schüttelte den Kopf und starrte auf die Szene über das Multitasking, irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass du mit unsauberen Mittel arbeitest, mit ganz unsauberen Mitteln.
    Ach was, sagte ich, ich schob ihm den Stift zu, und jetzt streich es von der Liste.
    Er faltete geziert seine Mäkelliste auseinander und begutachtete düster die vielen Punkte ohne seinen kleinen Erledigt -Haken dahinter. Aber mal was ganz anderes, sagte er, jetzt in geschäftlichem Ton, er tippte auf eine rot eingekreiste Frage mit drei Fragezeichen dahinter, wo genau wohnen die denn alle? Wo wohnt Frederik, wo David und wo genau wohnt Simon? In der Nähe vom Wald, was soll denn das heißen? Wo befindet sich das Tante ?
    Ich rutschte unbehaglich auf dem Stuhl herum, können wir ein andermal darüber reden?
    Hör mal, sagte er, er lehnte sich zurück, wie soll ich das hier als Berlin-Roman verkaufen, wenn kein Mensch nachvollziehen kann, wo was ist? Ein lieber Leser möchte vielleicht zum besseren Verständnis die Wege mit seinem Fahrrad abfahren, aber so wird das natürlich nichts, er kann maximal zum Alex radeln, das wars dann aber auch schon, das ist doch kein Ausflug.
    Ich starrte aus dem Fenster, vor dem Café ging eine toupierte Dame mit zwei toupierten Pudeln spazieren, es war eine Allegorie, aber ich wusste nicht, auf was. Also von mir aus, sagte ich.
    Er nahm seinen Stadtplan zur Hand und faltete ihn gekonnt auf, ich war beeindruckt.
    Frederik, sagte ich, wohnt in der Chodowieckistraße –
    Er suchte die Straße im Verzeichnis und beugte sich dann über den Plan, kreuzelte sie an. Er betrachtete die Karte. Warte mal, sagte er langsam, das kann ja wohl nicht sein.
    Doch, sagte ich.
    Aber das ist ja im Osten, sagte er verblüfft, der wohnt ja im ehemaligen Osten!
    Ja, sagte ich.
    Aber wieso wohnt denn Mathias –
    Frederik.
    – Federik im Osten! Da macht er ständig blöde Witze und dass er Ostberlin nur vom Hörensagen kennt und dann –
    Ja! Kann ichs ändern?, rief ich, nenn es von mir aus Diskrepanz oder Inkohärenz oder – keine Ahnung! Ich wäre damit ja nicht hausieren gegangen, du wolltest eine Fahrradkarte beilegen, bitte schön!
    Er schaute mich einen Moment lang nachdenklich an, dann notierte er sich was in sein Notizbuch, vermutlich: Fahrradkarte beilegen, gute Idee! Auf Vertretersitzung einbringen.
    Den Rest, sagte er, plötzlich fabelhafter Laune, er klappte den Stadtplan zusammen, machen wir dann später mal, so eine kleine Diskrepanz, er rieb sich zufrieden die Hände, macht doch die Figuren gleich viel plastischer, oder nicht?
    Gewiss, sagte ich kühl, gewiss. Zurück zu Frederik von Sydow –
    Den Mann mit den vielen Facetten!, sagte mein Lektor, er lachte laut. Zähneknirschend wartete ich, bis er damit fertig war, ich hätte ihm nicht auf den Leim gehen dürfen.
     
    Zurück zu Frederik von Sydow. Er fragte sich: was nun? Sicher, Stanjic neigte zu Hysterie und Übermut, aber vielleicht sollte er doch einmal nachschauen gehen. Er packte seine Klarinette ein, er würde einfach zum Proben hinfahren, lang abgemachter Termin. Er nahm seinen Kalender, blätterte zum heutigen Datum und schrieb: 15 Uhr, Probe. Schon lange abgemacht, er hatte sich alles notiert, und, klar, die beiden hatten sich wieder einmal nichts aufgeschrieben.
    Er warf einen Blick durchs Fenster, er konnte sich allerdings eine Menge nettere Dinge vorstellen, als durch dieses Wetter zu fahren. Mit dem Fahrrad würde er klatschnass. U und S und Bus, damit war es wiederum viel zu gefährlich, er kannte die entsprechenden Artikel in der Zeitung. Tausend nettere Dinge konnte er sich vorstellen, was musste dieser Idiot auch an den Stadtrand ziehen, ein völlig idiotisches Programm. Viel nettere und trockenere Dinge, Kekse essen, konnte er sich vorstellen zum Beispiel, wobei, er hatte ja keine. Er würde auf dem Weg beim Küken und Kater Kekse kaufen, das würde die Stimmung heben. Er hatte so das ungute Gefühl, es würde womöglich einer Hebung der Stimmung bedürfen.

53. Das

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