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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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der Kette mit durch den verschneiten Wald und fingen dann an zu trödeln. Sie trödelten immer doller, sie trödelten quasi bis zum Stillstand, sie blieben weit zurück. Sie sahen den Rest der Treiber in der Ferne zwischen den Bäumen verschwinden, Tante Hildegard in fine und wooly undertrousers unter Rock und Warnweste, Tante Mary, darüber grübelnd, was es mit diesen deutschen Jagdmethoden auf sich hatte, bei denen man im Wald ein Schwein verpackte, Tante Mary mitsamt der ihr anvertrauten Triangel, deren schrecklicher Klang die hiesigen Schweine das Fürchten lehren würde.
    Sie hörten noch eine Weile das Knacksen und Brechen des störrischen Waldes, das engagierte Rühren der Schlaghölzer, das Bimmeldibimm der Triangel, dann kehrte Stille ein.
    Hinter einer dicken Tanne entledigten sie sich der Westen und Musikinstrumente.
    Und jetzt auf eigene Faust!, sagte Frederik begeistert.
    Und wohin?, fragte David.
    Frederik überlegte kurz, flüsterte einen Abzählvers.
    Was flüsterst du denn da, fragte David.
    In einer chinesischen Eisenbahn, da fuhr ein chinesischer Gockelhahn, er rief: Himmeldonnerwetter der Professor mit dem goldnen Messer in der Universität, halt stopp !, sagte Frederik auf, zählte die Richtungen aus und dann sagte er, da lang.
    Sie gingen dann da lang.
    Wo hast du denn den her?, fragte David, ist das überhaupt ein Abzählvers? Das ist sicher kein Abzählvers. Ich kenne nur Ene Mene Muh.
    Ja sicher kennst du nur Ene Mene Muh , sagte Frederik, er hielt einen Zweig zur Seite und ließ David an sich vorbeigehen, du kommst aus Österreich, dem Kuhstall Europ–
    Jaja.
    Den Abzählvers habe ich von einem kleinen Jungen im Tante , damit zählen wir immer aus, wer das letzte Brot kriegt. Im Übrigen, fügte er hinzu, stimmt das nicht mal, ich weiß noch einen anderen Abzählvers, und du auch. Und angesichts der waltenden Tatsachen ist es sicher trefflicher, ihn hier zur Anwendung zu bringen.
    Warte, warte nur ein Weilchen,
    bald kommt der schwarze Mann zu dir,
    mit dem kleinen Hackbeilchen
    macht er Schabefleisch aus dir.
    Frederik, das ist absolut geschmacklos. Und woher kennen wir den überhaupt? Ich kenne so was nicht, das ist pervers.
    Doch, kennst du. Er kommt in dem Film vor.
    In einem von Simons Filmen? Dann wunderts mich nicht. Vielleicht ist es doch Simon, den wir gleich treffen, mit einem eindeutigen Ring um die Iris, bereit zur tödlichen Spontanhandlung.
    Quatsch. In M – Eine Stadt sucht einen Mörder . Da kommt er vor.
    David blieb wieder stehen. Je länger, sagte er, je länger ich darüber nachdenke, desto glücklicher bin ich, diesen Film nicht zu kennen, das klingt ja grässlich.
    Kann schon sein, bloß ist die Frage: Gehört auch der Auszählvers mit zum Muster?
    Wie meinst du das.
    Na ja, ob die Unbekannte X auch diese Situation vorausgesehen hat und davon ausgeht, dass wir anhand des vorgesehenen Abzählreims die Richtung auszählen und sie darum –
    Weißt du was, sagte David langsam. Es kann gut sein, dass dieser Typ einen an der Waffel hat.
    Ja sicher, sagte Frederik, davon gehe ich stark aus.
    Bloß, sagte David weiter, machen wir uns hinreichend verdächtig, ebenfalls einen an der Waffel zu haben, wenn wir jeden seiner verdrehten Gedanken kongenial hinterherdenken.
    Na ja, bloß zum Antäuschen, wir müssen ihn in Sicherheit wiegen, er muss denken, wir sind ihm auf den Leim gegangen, insofern ist es absolut notwendig, sich in sein System einzuklinken.
    Und du bist sicher, wir kriegen dann noch die Kurve und klinken uns wieder aus?
    Ja klar! Wir haben doch alles im Griff! Wir denken immer einen Schritt voraus, das kann er nicht wissen, noch dazu haben wir dich als Messerkünstler und mich mit meinem Obstlerparfum, was kann uns schon passieren?
    Und welches genau ist der Schritt, den wir vorausdenken?
    Das ist ja das Tolle, wir wissen es nicht!
    Toll, wirklich.
    Nein, ernsthaft, es ist unsere Fähigkeit zur Spontaneität und schnellen Reaktion. Es ist die Tatsache, dass wir keinen Plan haben, was wir ihm voraushaben, damit rechnet er sicher nicht. Verstehst du nicht, er hat alles geplant, das heißt, er hat auch uns geplant und sagt sich unsere kommende Reaktion voraus. Hätten wir einen Plan, wäre es vermutlich der, den er von uns ahnt.
    Warum?
    Na gut, vielleicht auch nicht, aber die Chance, dass es so wäre, ist ungleich höher, als wenn wir gar keinen Plan haben, sondern aus der Situation heraus agieren. Weil wie in aller Welt, sagte Frederik triumphierend, sollte er

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