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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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fragte Frederik verärgert, ob er sich hier mit ihm kloppen wolle.
    Das Pfeifen ertönte, entfernter jetzt, Grieg entfleuchte! Nachher, rief David, ich schwöre, wenn wir das überleben, klopp ich mich mit dir und lass dich gewinnen!
    Lachhaft, schnaubte Frederik, während sie losrannten, er und lässt mich gewinnen! Ich mach Hackepeter aus dir!
    David lachte, insofern war es ja jetzt eine Win-win-Situation, entweder Frederik oder der Keiler, Hackepeter! Und für so was war er aus der Krise geflohen! Traurig war das. Um in der Fremde und ohne testamentarische Verfügung in einem trüben Ostwald zu Hackepeter verarbeitet zu werden, gab es deprimierendere Schicksale? Wohl kaum.
    Grieg und die Berghalle waren jetzt schon kaum mehr zu hören, sie eilten hinterher, über Stock und Stein, jetzt gilts, dachte David, jetzt gilts!, rief er Frederik zu.
    Sie rannten über Lichtungen und krochen unter Ästen, sie hielten lauschend inne und hechteten über Gräben, sie blieben im Schnee stecken und hingen in launigem Buschwerk fest, sie rannten und rannten, Frederik immer voraus und David hinterdrein, sie rannten und dann blieb Frederik stehen und David rannte in ihn hinein und schaute auf.

124. Gott sei Dank gibts Dr. Huhn!

    Da stand er, auf der anderen Seite der Lichtung.
    So face à face ist das einfach immer was anderes. David und Frederik starrten ihn an. Er lächelte ihnen zu, winkte gar, nicht, dass sie zurückwinkten, so konnte man ihnen denn doch nicht mitspielen. Der Affekt ist zwar ein verführerischer Geselle, aber man kann ihn im Griff haben, sie hatten ihre Affekte voll im Griff, zumindest was das Winken anging.
    Da stand er, friedlich an einen Baum gelehnt. Der Mann von der Kreuzung. Der Mann, der in der Autoschlange immer hinter ihnen gestanden hatte. Es war der Joseph aus dem Text und der Mann aus den frühen Filmen, er war die Kachel, die immer im Spiel blieb, er war die Unbekannte X und der, mit dem sie Simon verwechselt hatten, er war es, der in Berlin am Alexanderplatz ein Kunstprojekt gelandet hatte, er war eine Auskunft, bei der nie einer dranging, er war ein Mann und Mensch und hatte eine Iris, aber sie konnten nicht sehen, ob da etwa eine ringförmige Verfärbung wäre oder nicht, er war einer, der womöglich einen Fehler machte, wie ein Klavierspieler sich verspielt und der es nicht mehr verhindern konnte. Vielleicht machte er aber auch keinen Fehler. Er war es, der nun langsam, ganz ganz langsam auf sie zukam und womöglich versuchte, sie durch die perfide Lokomotion zur Strecke zu bringen, er war es, der, bevor er leise wieder anfing zu pfeifen, dreierlei sagte, was sie erschütterte, zumindest Stanjic:
    Er sagte erstens zu David: Haste mal ne Mark? Er grinste. Und, rief er in gespielter Not, nicht schon wieder Banane!
    Und David erinnerte sich schlagartig an die Gewölbe der U-Bahn, den Mann in der Bahn, den Mann, den er beide Male nur flüchtig hatte angesehen. Hier war er und er konnte ihn in Ruhe und genau betrachten, er war identisch, mit allem. Der Mann auf der Bank vor Simons Haus, der Mann an der Tanke – schon einen Zuckerwasserhersteller gefunden –, er war der Mann, der ihm ständig an den Karren fuhr (metaphorisch!) und seine Stoßstange demolierte (wörtlich). Schon wieder er. Berlin war ein Dorf. Oder.
    Und weiters und drittens sagte er: Wer ist wie Gott?
    Frederik sagte, wie bitte? Er schaute fragend zu David, aber der ließ den Blick nicht von dem Mann und er wusste, der spielte mit ihnen Puppentheater. Der fühlte sich als der Große im weißen Kittel, der die Engel wie Rosinen ins Bild schüttet und die Welt baut, wie sie ihm passt, ein Gewitter türmt, wenn er es will, und der Jungfrau Maria seinen Engel schickt, wenn er findet, es ist Zeit. Er ist der, der ohne Rücksicht und ohne Maß denkt, er sei wie Gott, und David erinnerte sich. Michael. Michael ist wie Gott.
    Das war es, es war die Bedeutung des Namens, Onkel Dagobert hatte es gewusst und er selbst hatte es nachgeschlagen. Michael war der Erzengel und in der Bibel der Einzige, der mit Namen genannt wurde. Der Einzige? Nicht ganz. Es gab noch einen anderen und dessen Bedeutung war: Meine Stärke ist Gott . Sollte es also ein Zweikampf werden, ging es darum? Der zweite benannte Engel in der Bibel war Gabriel. Er schaute den Mann an und fragte sich, denkt er es sich so? Wie funktioniert dem sein Gehirn und sein Plan? Oder hatten sie sich völlig verstiegen und verhoben, waren sie ganz auf dem falschen Dampfer? Er musste es

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