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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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etwas vorausgeahnt haben, wovon wir selbst noch nicht mal einen blassen Schimmer haben?
    David schwieg. Irgendwas, dachte er bei sich, irgendwas stimmt doch an dieser Argumentation nicht. Aber er kam beim besten Willen nicht darauf, was.
     
    Sie gingen eine Stunde und dann noch eine. Mal hörten sie ein Horn von nah und dann von fern, ebenso das Musizieren und Klöpfeln der Treiber, mal näher und mal ferner, dann verlor es sich wieder. Sie gingen durch den Wald und wussten nicht, wo sie waren, und auch nicht, wo die anderen waren, David hatte wirklich nicht das Gefühl, sie verfolgten einen Plan, insofern lief also alles nach Plan.
    Wozu ein Plan, fragte Frederik, er bog einen Ast zur Seite und ließ David vorbeigehen, wo wir doch unsere Intuition haben.
    David hatte aber die Befürchtung, dass sie weder Plan noch Intuition hatten, er hatte das Gefühl, sie irrten einfach durch einen verschneiten Wald und hofften, irgendetwas würde sich ereignen. Er für seinen Teil zumindest hoffte das in der Zwischenzeit immer dringlicher, etwas sollte sich ereignen, ganz egal, was.

123. Mantra-Singen hilft auch bei Lektoren

    Als es dann so weit war, fielen sie aus allen Wolken.
    Sie starrten sich an, voller schlimmer Ahnung und voller Entsetzen. So ganz konkret kommt alles lange Erwartete und Ersehnte dann doch viel zu plötzlich. Sie lauschten.
    Hatten sie sich getäuscht, geirrt, verhört? Hatte nur ein Wildschwein gegrunzet, ein Horn krumm getönt oder ein Hirsch geröhrt, hatte die Triangel sie genarret?
    Keineswegs, sie horchten noch ein bisschen in den Wind und da war es wieder: ein Pfeifen, gar nicht so fern, ein wenig Grieg, In der Halle des Bergkönigs , fast schon langweilig und alles nach Skript.
    Und jetzt, flüsterte David, weiß wie Schnee, blass wie ein Glas Milch, aber derart Poetisches dachte in dem Moment kein Mensch.
    Es ist auch nicht poetisch, nur, damit das klar ist. Nicht, dass hier irgendeiner mit derartigem Unsinn Bände voller Gedichte füllt.
     
    Niemand, rügte mich mein Lektor, niemand bedarf deiner unqualifizierten Kommentare zum Geschehen. Nur weil du von Lyrik und generell von allem Feinen und Zarten keinen Schimmer hast, heißt das nicht, dass du unsere womöglich fleißig jambende Leserschaft vergrätzen musst.
    Unqualifizierte Kommentare, wiederholte ich erbost, braucht niemand, aha. Und was genau mache ich da seit Hunderten von Seiten, bitte schön?
    Ertappt!, rief er fröhlich, unqualifiziert hast du gesagt!
    Ich holte tief Luft, om shanti shanti shanti ! Nicht provozieren lassen, sagte ich mir, ein-fach nicht provozieren lassen.
     
    Frederik schluckte. Jetzt hieß es, einen klaren Kopf bewahren. Was auch immer das heißen mochte, gerade schien ihm, sie konntens nur falsch machen. Insofern wars auch egal.
    Hinterher, sagte er tonlos, er machte eine Kopfbewegung in Richtung Grieg und setzte sich in Bewegung.
    David folgte ihm, wiewohl alles in ihm nach hinten strebte, zurück ins Gebüsch, in dichtes Fichtendickicht. Im dichten Fichtendickicht, dachte er zur Ablenkung, sind dichte Fichten richtig wichtig. Richtig wichtig, wiederholte er, während er möglichst lautlos hinter Frederik herstapfte, im dichten Fichtendickicht sind dichte Fichten richtig –
    Frederik hob die Hand, sie blieben stehen. Jemand pfiff, schon deutlich näher jetzt. Er lockt uns in eine Falle, dachte David panisch, ihm wurde klamm und bang, ihm ging alles drunter und drüber im Bauch und im Kopf und im Herzelein, er dachte an letzte Worte und sinnloserweise daran, dass er es im Leben nicht mal so weit gebracht hatte, dass es sich gelohnt hätte, ein Testament aufzusetzen, das wurmte ihn. Es war ein Verrückter, ein Verrückter, dachte David verzweifelt, und er lockt uns in ein mit dichtem Fichtendickicht getarntes Loch, wo ein wütender Keiler schon auf uns wartet und –
    Er stockte, sollte er jetzt, Auge in Auge mit dem Tod, dem Österreichischen Tür und Tor öffnen, sollte er klein beigeben? Nein, dachte er mannhaft, auf keinen Fall würde der Keiler Faschiertes aus ihnen machen. Der Keiler würde sie zu Hackepeter verarbeiten. Hackepeter, er musste lauthals lachen, das war wirklich das dümmste Wort auf Erden!
    Frederik stolperte vor Schreck über seinen Schal und semmelte der Länge nach hin, hast du sie nicht mehr alle, zischte er, er wischte sich den Schnee aus dem Gesicht, was ist los mit dir?
    David half ihm auf, er murmelte etwas von überspannten Nerven und Fleischpflanzerln.
    Ob das ein Schimpfwort sei,

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