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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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zu bitten, Peacock zu ersetzen.«
    »Sei kein Dummkopf«, sagte Adam, und es klang schärfer, als er beabsichtigt hatte. »Er hat einen Vertrag.«
    »Ich auch«, konterte Shorthouse unfreundlich. »Aber das wird mich kaum davon abhalten, einfach auszusteigen, wenn die Proben unter diesen Voraussetzungen weitergehen. Ich kann euch versichern, dass es mir nicht um persönliche Motive geht. Ich denke dabei nur an Wagner.«
    Der Gedanke, Shorthouse könne einmal an etwas anderes denken als an sich selbst, war beinahe zuviel für Adam; er stieß ein unverständliches Schnauben aus. Barfield packte eine Tafel Schokolade aus. Wütend vor sich hin murmelnd stapfte Pogner über die Bühne, und Rutherston kam zum Vorschein, um dem Beleuchter auf seiner Brücke wild gestikulierend Zeichen zu machen. Im Orchestergraben war ein Posaunist dabei, einen Endlosmonolog über irgendeinen Bruch gewerkschaftlicher Vereinbarungen zu halten.
    Zehn Minuten später war die Probe wieder in vollem Gange. Die Zünfte traten auf; das Boot mit den Mädchen landete an; die Lehrbuben tanzten (»wie die Konfirmanden beim Sonntagsausflug«, bemerkte Rutherston); und zuletzt kamen die Meistersinger herein, vor sich eine Fahne, auf der David und seine Harfe abgebildet waren. Der Chor sang zu Sachs’ Ehren; und nachdem die Begeisterungsstürme vorüber waren, warteten alle auf die anrührende Antwort des Schuhmacher-Dichters.

Kapitel 5
    Und in diesem Moment begannen die wirklichen Schwierigkeiten.
    Es gab eine kleine Meinungsverschiedenheit, was die Positionierung anging; an diese schloss sich ein Missverständnis bezüglich jener Stelle in der Partitur an, an der die Musik wieder einsetzen sollte. Shorthouse blaffte Peacock an, Peacock blaffte zurück, und dann gingen sie aufeinander los wie »zwei Politiker bei einer Einbürgerungsdebatte im Unterhaus«, wie Adam es später beschrieb. Obwohl jedermann mit diesem Ausbruch gerechnet hatte, machte sich allgemeine Betroffenheit breit; ist doch der Anblick zweier erwachsener Männer, die sich anbrüllen wie die Kindergartenkinder, bestenfalls entmutigend. Trotzdem mischte sich niemand ein; nur Adam folgte still und leise, als Peacock, nachdem er seinen Taktstock in blinder Wut auf das Dirigentenpult geknallt hatte, aus dem Saal stolzierte. Beim Verlassen der Bühne konnte er das erleichterte Murmeln hören, das nach dem Nachlassen der Spannung angehoben hatte.
    Peacock war im Probenraum. Er stand beinahe reglos da, hielt sich mit beiden Händen am Rand des Flügels fest und versuchte, Herr seiner Gefühle zu werden. Seine knochigen, unregelmäßigen, feinsinnigen Gesichtszüge ließen erahnen, unter welchem Druck er stand, und seine Augen wirkten in jenem Moment leer und blind. Für einen Moment blieb Adam auf der Schwelle stehen und zögerte; dann sagte er knapp:
    »Ich fühle mit Ihnen.«
    Ein längeres Schweigen trat ein, bis Peacock antwortete. Schließlich entspannte er sich und sagte voller Bitterkeit:
    »Ich denke, ich sollte mich entschuldigen.«
    »Praktisch gesehen, ja«, kommentierte Adam. »Menschlich betrachtet, nein. Sie müssen wissen, dass alle auf Ihrer Seite sind. Edwin führt sich unerträglich auf.«
    Peacock murmelte etwas vor sich hin.
    »Ich sollte in der Lage sein, mit so einer Situation umzugehen. Das gehört immerhin zu meinen Aufgaben …« Er überlegte. »Sie haben mit solchen Dingen mehr Erfahrung als ich … Sollte ich zurücktreten?«
    »Seien Sie kein Narr«, meinte Adam warmherzig. »Natürlich nicht.«
    »Selbstverständlich weiß ich« – Peacock fiel das Sprechen schwer – »wie es idealerweise laufen sollte. Herzlich, aber bestimmt … Das Problem ist nur, dass meine Nerven nicht mitspielen. Langsam glaube ich wirklich, ich bin für diesen Job ungeeignet.« Er sah so abgezehrt aus, dass Adam erschrocken war. »Aber ich muss einen Erfolg erzielen. So oder so wird es die Weichen für meine zukünftige Laufbahn stellen.«
    Es gab ein Schweigen. »Was ist mit der Probe?«, fragte Adam.
    »Würden Sie den anderen bitte ausrichten, dass wir für heute Schluss machen? Ich kann jetzt niemandem gegenübertreten.«
    »Es wäre besser, wenn Sie …«
    »Verdammt noch mal, nun sagen Sie ihnen schon, dass es vorbei ist.«
    Peacock riss sich sofort zusammen, und sein Gesicht zuckte vor Scham. »Es tut mir leid. Ich wollte nicht laut werden.«
    »Ich werde es den anderen ausrichten«, sagte Adam und zögerte.
    »Um Himmels Willen, tun Sie bloß nichts Überstürztes«, fügte er

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