Schwanentanz
und noch mehr darauf, sich nicht umzudrehen. Der Tee konnte warten. Sie musste ins Dorf. Dringend. Ob man dort eine Pistole oder zumindest Pfefferspray bekam?
cúig - fünf
D
as war ich nicht!“
Aiden stand im Türrahmen und ließ den Blick fassungslos durch seine Kammer schweifen. Federn!
Sein ganzes Zimmer war voller Federn. Sie taumelten durch den Windstoß über den Boden, glitten über seinen Schreibtisch, klebten außen am Glas der Laternen und hingen am Kienspanhalter. Dem beißenden Geruch zufolge waren einige verbrannt. Der Gnom Dwyn saß mit Unschuldsmiene und hinter dem Rücken versteckten Händen mitten auf Aidens Bett. Eine Flaumfeder steckte ihm noch im Mundwinkel. Als der kleine Kerl sich dessen bewusst wurde, spuckte er sie schnell aus.
„Nicht meine Schuld, Aiden. Ich war es wirklichecht nicht!“
Natürlich nicht. Aiden rieb sich die Stirn, durchsuchte sein Hirn nach einem Gedanken, der ihn davon abhielt, Dwyn zu teeren und zu federn. Dieses kleine Aas! Leider trug Aiden selbst schuld. Es war nichts Neues, dass Gnome Unsinn anstellten, sobald sie mit den aufgetragenen Arbeiten fertig waren. Er hatte am Morgen vergessen, Dwyn Aufträge zu geben, weil seine Gedanken bei Brandon gewesen waren.
Mit einem Seufzer stieß er die Tür hinter sich zu, worauf erneut Federn aufstoben, ging zum Bett und setzte sich auf die Kante. Dwyn drehte sich in seine Richtung, wohl damit Aiden nicht sah, dass der Gnom einen Zipfel seines schlaffen Kopfkissens in den Händen würgte. Vermutlich war es die abgenagte Ecke.
„Siehst miesübel aus“, meinte Dwyn. „Ist dir eine Maus über die Leber gelaufen?“
Aiden zupfte sich Federn von der Hose. „Es heißt Laus, nicht Maus.“
Dwyn kratzte sich unter dem falschen Bart, den er jeden Morgen mit einem Pflanzenextrakt an sein Kinn klebte. Er bekam Ausschlag davon, aber ohne Bart fühlte er sich nackt, daher nahm er das Jucken in Kauf. Eine Laune der Natur hatte Dwyn mit einem bartlosen, fast androgynen Gesicht gestraft, weshalb die anderen Gnome ihn verspotteten und mieden.
„Wenn eine Laus auf der Leber uns kleinen Leuten Kummer bemachtreitet, solltet ihr Trolle etwas mehr vertragen. Oder seid ihr Waschlappen?“
„Wir sind eben keine Trolle, sondern Menschen.“
„Alles dasgleichselbe!“
Aiden seufzte. Wie oft würde er diese Diskussion noch führen müssen? Warum diskutierte er überhaupt mit einem Wesen, das ihm bis zur Mitte der Wade reichte und seine Strümpfe als Schlafsack benutzte?
„Nun sag endlichschon, Aiden.“ Dwyn boxte ihm mit seiner winzigen Faust gegen den Oberschenkel. „Ich seh doch, dass was nicht stimmt. Sag’s dem alten Dwyn, er weiß, was hilft.“
Leider würde die Pflanzenkunde der Gnome bei diesem Problem nicht helfen, auch wenn sicher etwas dabei war, was Aiden seine Sorgen vergessen lassen konnte. Aber das änderte rein gar nichts an deren Ursache. „Cara hat Seamus heute auf die Suche nach seinem Stein in den Stollen geschickt.“
„Deinen Bruder?“
Er nickte, den Blick auf seine Füße gerichtet.
„Aber der ist doch noch viel zu kleinjung! Wie alt ist der Grünschnabel, zwölf? Dreizehn?“
„Achtzehn“, antwortete Aiden. Er legte den Kopf zurück, bis ihm der Chalcedon in seinem Genick ins Fleisch schnitt. „Genauso alt wie ich damals. Ich hatte gehofft, ihm würde mehr Zeit bleiben. Nun hab ich nur noch wenige Tage, um ihn hier rauszubekommen. Vielleicht auch nur Stunden. Was weiß ich, wie schnell er einen dieser Klunker findet.“ Er ballte die Faust und rammte sie in die strohgefüllte Matratze, sodass Dwyn einen unfreiwilligen Hüpfer machte.
„He, Aiden, nimmreiß dich zusammen!“, protestierte der. „Dein Problem ist, dass du nicht akzeptierst, was nicht zu besserändern ist.“
„Ein Schlafzimmer, das aussieht, als wäre darin eine Schar Gänse gerupft worden, zum Beispiel?“
„Ja, ja.“ Dwyn nickte begeistert, sodass sein künstlicher Bart auf- und ab flatterte. „Das ist der schlechtmiese Einfluss. Seit dieser Troll Brandon aufmuckt, bist du ständig unzufrieden. Das war früher nicht so.“
„Früher war vieles … nicht so“, entgegnete Aiden. Früher wurde sein Bruder von Cara auch nur vor der grausamen Welt an der Oberfläche beschützt. Er rieb sich über die unrasierte Wange und fand sofort die Stelle, an der eine erbsengroße Narbe verhinderte, dass an dieser Stelle Bart wuchs. Er trug viele dieser kreisrunden Narben. Cara war es zu verdanken, dass Seamus keine hatte.
Weitere Kostenlose Bücher