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Schwanentanz

Schwanentanz

Titel: Schwanentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Francis
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sich alle paar Sekunden eine Locke aus der Stirn. Eine interessante Haarfarbe hatte sie. Wenn Füchse in der Sonne ausbleichen könnten, bekamen sie vermutlich diesen Farbton. Suzanna unterdrückte ein Seufzen und trat zur Theke.
    „Einen schönen guten Tag“, wiederholte sie lauter. Sie hatte vor Tausenden getanzt, vor Zuschauern, Kritikern und neidgrünen Kolleginnen, da würden ein paar Landeier sie nicht nervös machen. „Ich bin neu in der Gegend und auf der Suche nach dem Supermarkt. Offenbar habe ich ihn gefunden.“
    „Offenbar“, gab die Bäckerin zurück, ohne dabei die Lippen zu bewegen, als hielte sie eine Zigarette im Mund.
    Dann war dies hier also tatsächlich die einzige Möglichkeit zum Einkaufen? Na prächtig. „Eine … nette Stadt haben Sie hier.“
    Die Augen der Frau wurden noch schmaler. Suzanna glaubte, in ihnen zu lesen, was sie dachte: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Schön, da war sie gleich ins erste Fettnäpfchen gehumpelt.
    „Ein bisschen einsam, aber …“ Verdammt, jetzt wurde sie doch nervös. „Sehr ruhig. Das gefällt mir. Idyllisch.“
    „Ah, so ist das.“ Die Frau zog beide Hände aus der Schüssel, leckte sich Teig von den Fingern und rieb diesedann an ihrer Schürze ab. „Urlauberin, ja?“
    „Ich wollte ein bisschen bleiben“, erwiderte Suzanna, gleichermaßen fasziniert wie angewidert. In London hätte sie ihr iPhone gezückt und diesem Laden die Gesundheitsbehörde auf den Hals gehetzt. Aber die Londoner Sue war in London geblieben, und die andere Suzanna, die auf der Flucht vor Stress, Disziplin und Erwartungen war, fand diese Bäckerin … rustikal. Sie erwischte sich dabei, die Teigklumpen anzustarren, die auf Hüfthöhe an der Schürze der Frau antrockneten, und räusperte sich. „Ich brauche eine Auszeit, ein bisschen Ruhe. Wollte den Sommer hier oben verbringen und dann …“
    „Zurück nach London gehen.“
    Woher wusste die, woher sie kam? War ihr Akzent so deutlich? Unmöglich, in London beschwerten sich immer alle, dass sie den australischen Akzent ihrer Eltern nie abgelegt hatte. „Und dann weitersehen“, korrigierte sie. „Wie kommen Sie darauf, dass ich aus London bin?“
    Die Antwort war ein geheimniskrämerisches Zungenschnalzen, doch ehe sie sich darüber ärgern konnte, reichte die Bäckerin ihr ein Hufeisen über die Theke.
    „Würden Sie das bitte auf den Stehtisch legen?“ Sie deutete auf einen Tisch am Rande des Verkaufsraums.
    Suzanna bekam das Gefühl, dass sie sich in diesem Ort über gar nichts mehr wundern sollte, aber das ließ sich so schnell nicht abschalten. Die Bäckerin sah sie auf seltsam prüfende Art an, während sie ihr das Hufeisen aus der Hand nahm. Dann lächelte sie.
    „Wegen dem Wind“, erklärte sie und wirkte mit einem Mal verschmitzt. „Diese dünnen Papiertischdeckchen sind ja wirklich praktisch, weil man sie nicht waschen muss, aber der Durchzug weht sie mir immer runter, wenn einer die Tür aufmacht. Und woher Sie kommen, steht auf Ihrem Autokennzeichen.“
    Darauf hätte sie auch selbst kommen können.
    „Soso, Sie wollen also ein Weilchen bleiben. Schön, dann werden Sie ja öfters herkommen. Ich bin die Liz.“
    Als wäre die unverhoffte Freundlichkeit nicht sonderbar genug, streckte die Bäckerin ihr diese schmutzige, nein, rustikale Teigmatschhand über die Theke, und zwar so weit, dass es ein wirklich böser Fauxpas gewesen wäre, sie nicht zu schütteln. Suzanna zwang ein Lächeln in ihre Züge, tat es und widerstand der Versuchung, sich gleich das Mehl an der Jeans abzuwischen.
    „Suzanna Williams.“ Hoffentlich kannte Liz den Namen nicht. Doch wie wahrscheinlich war es, dass sich eine stämmige Bäckerin aus dem hintersten Winkel Irlands mit Ballett beschäftigte?
    „Geschäftsfrau, hm?“, riet Liz, kippte duftende getrocknete Kräuter aus einer Plastiktüte in ihre Schüssel und versenkte wieder beide Hände im Teig. „Jaja, Leute wie Sie kommen häufig her.“
    Suzanna sah sich die Waren im Kühlregal an und nahm verpackte Wurst und Käse heraus. „Dafür scheint es mir aber sehr ruhig. Ist das hier der einzige Laden?“
    Liz lachte. „Nee. Es gibt da noch die Tankstelle, den Angelladen und das Pub. Aber ruhig, das ist es wohl. Hier bleibt keiner lang.“
    „Warum nicht?“ Dumme Frage. Wenn man ein bisschen daran arbeiten würde, wäre das Dorf sicher sehr schön, aber so wirkte es schlicht und ergreifend seiner Zeit hinterher. Schlimmer noch – es schien, als würde der

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