Schwangerschaft ist keine Krankheit
bestimmte Funktion im Organismus haben könnte. Diese blinde Arzneiroutine ist das Erste, was junge Ãrzte in ihrer Ausbildung lernen.
Ein solches oberflächliches Korrigieren angeblich »abnormer« Laborwerte durch Verabreichen von Medikamenten wird hintergründig auch als »Laborkosmetik« bezeichnet. Es handelt sich um ein unüberlegtes, oberflächliches Retuschieren von Werten, ein Annähern an eine angeblich standardisierte Norm, die gar nicht mehr überprüft oder hinterfragt wird.
»Fragen Sie bloà keinen Apotheker!«
Vermutlich wurden Sie als Schwangere in der Apotheke bereits auf frei verkäufliche Eisenpräparate angesprochen. Nicht zu Unrecht betitelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung kürzlich einen medizinkritischen Artikel zum Thema Nahrungsergänzungsmittel mit: »Fragen Sie bloà keinen Apotheker!« (Rüschemeyer 2011). Diese Eisenpräparate sind nicht gut verträglich. Sie verursachen unter anderem Ãbelkeit, Magendruck, AufstoÃen, Verdauungsprobleme, Verstopfung und eine Schwarzfärbung des Stuhlgangs und der Zähne. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt ausdrücklich: »Die Einnahme von Eisen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln sollte daher nur nach diagnostizierter Unterversorgung und in Absprache mit einem Arzt geschehen.« (www.bfr.bund.de)
Wann ist Eisen sinnvoll?
Es ist nicht zu bestreiten, dass der Eisenbedarf in der Schwangerschaft erhöht ist. Der Tagesbedarf einer schwangeren Frau ab dem vierten Monat beträgt 20 bis 30 Milligramm (www.uni-hohenheim.de) . Als gesunde schwangere Frau können Sie das Eisendefizit im Normalfall durch eine verbesserte Aufnahme von Eisen im Darm, durch vermehrte Bindung von Eisen an Transportproteine im Blut und durch Freisetzung von Eisen aus dem Eisenspeicher ausgleichen.
Die internistischen Leitlinien sprechen ganz deutlich aus, dass eine prophylaktische Eiseneinnahme in der Schwangerschaft bei normaler Ernährung nicht nötig ist.
Erst dann, wenn Ihre Eisenaufnahme im Darm vermindert ist, Ihre Ernährung arm an Eisen ist oder wenn Ihre Eisenspeicher bereits zu Beginn der Schwangerschaft leer sind, dann kann es zur echten Eisenmangelanämie kommen. Diese muss behandelt werden, um Sie und Ihr Kind vor gesundheitlichem Schaden zu bewahren. Auch hier wäre es eine wichtige Aufgabe aller Frauenärzte und Hebammen, über eisenreiche Nahrungsmittel und schonende Zubereitung derselben zu beraten, statt einfach kritiklos mit Eisenmedikamenten um sich zu werfen, die nebenbei bemerkt der Pharmaindustrie Umsätze in Milliardenhöhe bescheren.
Ein Problem der Diagnostik: Ist der Hämoglobinwert aussagekräftig?
Wie bereits erwähnt, soll laut Mutterschafts-Richtlinien alle vier Wochen in der Schwangerschaft der Hämoglobinwert bestimmt werden, um eine mütterliche Anämie feststellen zu können. Es gibt jedoch begründete Zweifel daran, ob der Hämoglobinwert den geeigneten Parameter darstellt, um einen Eisenmangelzustand zu erkennen. In der aktuellen Leitlinie »Eisenmangel und Eisenmangelanämie« der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie heiÃt es: »Den âºbesten Eisenparameterâ¹ gibt es nicht.« (www.dgho-onkopedia.de). Dort findet man vielmehr die Empfehlung, mehrere Parameter zu kombinieren. Im Vergleich zu den anderen empfohlenen Parametern wie Ferritin ist der Hämoglobinwert wesentlich weniger empfindlich und wird erst in der Endphase eines Eisenmangels auffällig. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass bei einem Hämoglobinwert von 12 Gramm pro Deziliter bereits bei der Hälfte der Untersuchten ein leerer Eisenspeicher vorlag (Milman et al. 2006).
Da die Standarduntersuchungen nur den Hämoglobinwert erheben, werden echte Eisenmangelzustände in der Schwangerschaft häufig nicht rechtzeitig erkannt.
Darüber hinaus wird in der ärztlichen Praxis der Hämoglobinwert sehr häufig aus der Fingerbeere der Patientin entnommen und sofort mit einem kleinen Analysegerät ausgewertet. Dieses weitverbreitete Vorgehen unterliegt zahlreichen Störfaktoren. Es liefert erwiesenermaÃen in bis zu 20 Prozent unzuverlässige Messwerte, die nicht die tatsächliche Eisensituation der Schwangeren widerspiegeln. Besser wäre die Blutentnahme aus der Vene zur Ermittlung. Hierzu gibt es aber derzeit keine Standards.
Wir halten fest: Deutschlandweit wird meist
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