Schwangerschaft ist keine Krankheit
Studien legen nahe: Vitamine nützen in vielen Fällen nichts, sie können sogar schädlich sein.
Gerd Antes, der namhafte Leiter des deutschen Cochrane Zentrums 2 in Freiburg, sagte dazu: »Wenn der Nutzen der Vitaminzusätze so eindeutig wäre, wie immer behauptet wird, müssten die vielen Studien längst klare Belege dafür liefern. Die fehlen allerdings bisher.« (zit. n. Bartens 2008) Noch klarer formuliert es Christian Steffen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, zit. n. Bartens 2008): »Verbraucher werden in die Irre geführt. Sie denken, sie tun sich mit den Vitamintabletten etwas Gutes. Aber das Gegenteil ist der Fall.«
Die Interessen der Pharmaindustrie
Irgendetwas läuft da grundlegend falsch in puncto Vitamineinnahme. Die warnenden Expertenstimmen mehren sich â und trotzdem nehmen in Deutschland rund 20 Millionen Menschen Nahrungsergänzungsmittel ein; wenn man den Blick ausweitet auf Nordamerika und Europa, sollen es bis zu 160 Millionen sein (Friebe 2008).
Der Grund für dieses Missverhältnis: Hinter den Nahrungsergänzungsmitteln stehen immense Industrieinteressen. In Deutschland wird der Markt für diese Produkte laut Focus auf mindestens 1 Milliarde Euro pro Jahr geschätzt.
Nahrungsergänzungspräparate unterliegen übrigens im Gegensatz zu Arzneimitteln keiner Zulassungspflicht. Sie müssen lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) registriert werden. Für den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln muss nicht einmal der Nutzen des betreffenden Präparates nachgewiesen werden. Es ist ausreichend, wenn der hygienische Standard eingehalten wird.
Weder in Deutschland noch auf internationaler Ebene existieren verbindliche Höchstmengen für sämtliche Inhaltsstoffe dieser Nahrungsergänzungsmittel. Diese Präparate haben einen niedrigen Herstellungspreis und â dem guten Marketing sei Dank â einen hohen Verkaufspreis. Die Gewinnspanne für die Pharmaunternehmen ist also in diesem Sektor sehr hoch.
Ihre Schwangerschaft als Verkaufsargument
Das Hauptwerbeargument der Pharmafirmen ist der »Vitaminmangel«, an dem wir alle â und insbesondere Sie als schwangere Frau â angeblich leiden. Die Schwangerschaft ist ein sehr lukrativer Markt für die Pharmafirmen. Aufgrund der Tatsache, dass Schwangere wie Sie ein hohes Verantwortungsbewusstsein für das Ungeborene haben und oft fürchten, es schlecht zu versorgen, sind Sie und alle Schwangeren willkommene, leichte »Opfer« für die eigennützigen Botschaften der Pharmaindustrie. Deren subtile Methodik tut ein Ãbriges.
Der Mythos vom Vitaminmangel
Bei ausgewogener Ernährung benötigt ein gesunder Mensch, auch eine schwangere Frau, mit Ausnahme von Folsäure keine zusätzlichen Vitamine in Form von Nahrungsergänzungsmitteln.
Laut einer Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist der Vitamin-C-Gehalt in Orangen in den vergangenen 50 Jahren konstant geblieben, ebenso bei Kartoffeln. Bei Ãpfeln schwanken die Werte hingegen jahreszeitlich bedingt (www.esowatch.com). Es gibt demnach keinen Verlust an Nährstoffen in diesen Lebensmitteln, wie es oft kolportiert wird.
Eine Gruppe von Lebensmittelchemikern der Universität Kaiserslautern fand in ihren Untersuchungen keine Hinweise darauf, dass es bei einer ausgewogenen Ernährung zu einer Unterversorgung des Körpers mit Vitaminen und Mineralstoffen kommt (www.esowatch.com). Für eine medizinisch begründete Therapie mit Nahrungsergänzungsmitteln gibt es nur wenige Ausnahmen: Dazu gehören Alkoholismus (Vitamin-B 12 -Mangel) oder Erkrankungen, die eine besondere Diät erfordern.
Wie berät Ihr Arzt Sie zu diesem Thema?
Es sollte selbstverständlich sein, dass Ihr Arzt Ihnen keine unnötigen Multivitaminpräparate weitergibt, mit denen die Praxen regelrecht geflutet werden. Ãrzte sollten generell klar Stellung nehmen und ihre Patientinnen kritisch beraten, welche Präparate in der Schwangerschaft sinnvoll und unbedenklich sind, um die zahlreichen von den Unternehmen lancierten Internetseiten zu entkräften. Doch selbst in manchen Lehrbüchern für Schwangerschaft und Geburtshilfe sowie in ärztlichen Ratgebern finden sich immer wieder falsche Aussagen zu diesem Thema.
Es gibt immer wieder ärztliche Kollegen, die unreflektiert die
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