Schwangerschaft ist keine Krankheit
keine ausreichende Diagnostik geleistet, um eine Blutarmut während der Schwangerschaft frühzeitig zu erkennen. Und selbst wenn Ihr Arzt dies wollte, hätte er ein Problem: Die Erhebung des Ferritinwertes beispielsweise kommt ihn teuer zu stehen, da dies keine zulässige Leistung der gesetzlichen Krankenkassen für Frauenärzte ist. Statt einer hochwertigen Diagnostik des Eisenstoffwechsels in der Schwangerschaft wird die Realität durch veraltete und wenig aussagekräftige Testmethoden verschleiert.
Ein Blick ȟber den Zaun der Gynäkologen« hin zu den Internisten und Laborärzten wäre ratsam. Die Ãberarbeitung der Mutterschafts-Richtlinien zu diesem Thema ebenso. Doch auf meine Anfrage beim zuständigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), ob Untersuchungen zur Ãberprüfung der derzeitigen Qualität der Eisenanalytik durchgeführt wurden oder ob Derartiges geplant sei, antwortete man mir: »Dieses Thema ist noch nicht bearbeitet.« Es interessiert leider offensichtlich keinen.
So ergibt sich eine festgefahrene, wenig selbstkritische ärztliche Routine, die Ihnen als Schwangere nicht zuträglich ist. Einerseits werden häufig zu hohe Normwerte zugrunde gelegt, die eine zu rasche Verordnung von Eisenpräparaten nach sich ziehen. Auf der anderen Seite sind die bestimmten Laborparameter nicht empfindlich genug, sodass ein echter Eisenmangelzustand erst sehr spät erkannt wird. Es wäre wünschenswert, dass Frauenärzte zu Beginn der Schwangerschaft den Eisenspeicher mithilfe des Ferritinwertes bestimmen dürften. Dann könnte ein eventueller Eisenmangel in einem frühen Schwangerschaftsstadium erkannt und behandelt werden.
Bevor Sie als Schwangere ein Eisenpräparat zu sich nehmen, sollten Sie und Ihre Ãrzte sicher sein, dass dies wirklich erforderlich ist. Auch welche Diagnostik wirklich aussagekräftig ist, sollte geklärt und abgesprochen sein.
Fazit: Als Schwangere sind Sie gut beraten, Nahrungsergänzungsmittel und die angeblich unbedenklichen Eisenpräparate auf keinen Fall kritiklos zu schlucken. Die beste Vorsorge gegen einen Eisenmangel ist
⢠eine regelmäÃige, gezielt eisenreiche, ausgewogene Ernährung bereits in der Frühschwangerschaft
⢠mit vielen frischen Kräutern, roten Gemüsesorten und Johannisbeeren,
⢠am besten in Kombination mit einem Schluck Orangensaft, der reich an Vitamin C ist,
⢠kombiniert mit der gelegentlichen Aufnahme von tierischem Eisen aus Fleisch und Fisch.
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1 Der sehr anschauliche Begriff der Arzneiroutine wurde übrigens von Friedrich Graf geprägt, der in seinem Buch Kritik der Arzneiroutine bei Schwangeren und Kleinkindern aus einem homöopathischen Blickwinkel Kritik an der Verordnungspraxis seiner ärztlichen Kollegen äuÃert (Graf 2010).
Kapitel 2
Brauche ich in der Schwangerschaft zusätzliche Vitamine?
Vitamine, Folsäure & Co.: Was soll und muss ich als Schwangere schlucken? Die Schwangerschaft als Verkaufsargument der Pharmaindustrie
»Deine Nahrungsmittel seien deine Heilmittel.« (Hippokrates)
»Eine Arznei darf nicht auf Spekulationen gegründet werden, sondern sie soll auf einem wahrhaftigen Anzeigen und Lehren begründet sein.« (Paracelsus)
Fallbeispiel: Kristina F., 22 Jahre
Kristina F. kommt in meine Sprechstunde. Sie ist zum ersten Mal schwanger und in der siebten Schwangerschaftswoche. Seit einigen Tagen leidet sie unter einem stark juckenden Ausschlag am Körper, vor allem am Bauch sowie an Oberarmen und Oberschenkeln. Es haben sich Quaddeln gebildet und es sind deutliche Kratzspuren zu sehen. Besonders nachts quält sie der Juckreiz so stark, dass sie kaum schlafen kann.
Kristina berichtet, dass der Ausschlag im Zusammenhang mit der Einnahme von Tabletten aufgetreten sei, die sie seit einer Woche einnehme. Diese seien ihr in der Apotheke als Nahrungsergänzung für die Schwangerschaft empfohlen worden. Ich bitte sie, mir das Präparat zu zeigen, und sie packt eine mittelgroÃe Schachtel aus ihrer Handtasche aus. Das Mittel enthält folgende Inhaltsstoffe:
1. Vitamine: Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B 1 , Vitamin B 2 , Nicotinamid, Vitamin B 6 , Vitamin B 12 , Vitamin K 1 , Vitamin D 3 , Folsäure, Pantothensäure, Biotin
2. Mineralstoffe, Spurenelemente, Mikronährstoffe: Calcium, Magnesium, Selen, Eisen, Zink,
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