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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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schlimme Nachricht für Sie …«
    Aber Mord ist keine geschäftliche Transaktion. Und der Arbeitsplan des Todes hat seine eigenen, einzigartigen Bedingungen:
     Deadlines werden in Minuten gemessen, ja, in
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Sekunden. Man kann keine Fristverlängerung aushandeln, um sich aus einer schwierigen Situation zu retten. Die Deadlines des
     Todes sind unverrückbar.
    Griessel schüttelte den Kopf und zündete sich die nächste Zigarette an. Sein Mund, seine Zunge, sein Geschmackssinn lechzten
     nach dem Aroma von Branntwein, sein Gehirn und seine Nervenenden fieberten nach dem Alkohol und dessen heilenden Kräften.
     Vierunddreißig Tage. Wann würde sich diese Gier legen?
    Er kannte die Antwort: Vielleicht niemals.
    Besser, er las weiter.
    Meine sorgfältigen Vorbereitungen, die Schminkanleitungen und Verkleidungstipps aus Büchern und dem Internet waren nützlich
     gewesen, soviel war sicher. Dank meiner präzisen Planung war im Grunde alles reibungslos verlaufen. Doch nichts konnte mich
     auf den Moment vorbereiten, in dem ich den Abzug drücken musste. Vielleicht sind andere eher für die Brutalität des Tötens
     geeignet als ich.
    Ich hatte die Tür des Hotelzimmers aufgeschlossen, und meine perfekt eingeübten Bewegungen waren fehlerlos, behände und fließend.
     Sie saß mit dem Rücken zu mir im Sessel, und in diesem Augenblick fragte ich mich gar nicht erst, warum sie den Anruf auf
     dem klingelnden Handy nicht annahm, so dankbar war ich, dass ich ihr nicht in die Augen zu sehen brauchte. Ich habe den Abzug
     gedrückt, zwei Mal, zwei gedämpfte »fffut-ffffut«-Geräusche, und ihr Hinterkopf zerplatzte. Sie sank vornüber, und der ganze
     Stuhl war mit Blut, Knochen und Hirn bespritzt. Plötzlich wurde ich von einem fast unwiderstehlichen Brechreiz geschüttelt
     und hätte fast die Beherrschung verloren. Um ein Haar hätte ich vergessen, den
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Antwortknopf des Handys zu drücken. Ich konnte sie nicht ansehen und mich nicht dazu überwinden, die fünf Minuten zu bleiben,
     die den Anruf glaubwürdig gemacht hätten. Ich verspürte Panik, Ekel, Übelkeit, Klaustrophobie, alles zugleich.
    Doch ich riss mich zusammen, mein Selbsterhaltungstrieb gewann die Oberhand, und schon war ich draußen, am Empfangsschalter
     vorbei, hinaus in die Nacht.
    Griessel vermerkte in einer Randnotiz, dass er sich mit den Ermittlern in Sandton in Verbindung setzten musste.
    Meine größte Angst im Flugzeug und im Mietwagen war, dass jemand den Schweiß, den Ekel, das Trauma sehen würde, womöglich
     noch Blut und Hirngewebe irgendwo an meiner Kleidung.
    Doch meine Angst war unbegründet.
    Wenn ich gewusst hätte, was mich zu Hause erwartete!
    Ihr Brief klebte am Videorecorder. Ich las ihn und rannte ins Badezimmer, um mich zu übergeben. Las ihn ein zweites Mal, übergab
     mich wieder, Flugzeugfraß, bis mein Magen leer war. Dann spulte ich das Video zurück und sah es mir mehrmals an, wie ich es
     geplant hatte, denn ich musste meinen Teil des Plans zu Ende führen, aus Selbstschutz, aus Überlebenswillen.
    Der Anruf aus Johannesburg erfolgte erst am nächsten Nachmittag. Ich flog hin, begleitete den Ermittler in die Pathologie
     und beantwortete zwei Tage lang die Fragen der Kripo, bis man mich gehen ließ. Schock und Empörung brauchte ich nicht zu heucheln.
    Es dauerte zwei Monate, bis mir klar wurde, dass ich nicht mehr weiterleben wollte. Nicht nur wegen Louwnas Brief
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(s. Anlage) , sondern auch wegen des Anblicks der Kopfverletzungen, der mich verfolgte. Und wegen der Demütigung.
    Der Brief war mit
Quartus Lombaard
unterschrieben, in derselben kleinen, fein säuberlichen Handschrift.
    Griessel nahm die andere Fotokopie zu Hand. Das Original dieses Schriftstücks war auf dünnem, blauem Schreibblockpapier geschrieben,
     mit blauer Tinte und in einer fließenden Schrift voller schwungvoller Schnörkel und Kringel. Die Hände des Ermittlers zitterten
     jetzt noch stärker.
     
    Lieber Quartus,
    ich wünschte, ich könnte Dein Gesicht sehen, wenn Du diese Zeilen liest.
    Ich bin sicher, dass sie Dich mit einem Ruck aus dem Schlendrian reißen werden, dem Du in den letzten ungefähr zwei Jahren
     verfallen bist. Eine Zeitlang war ich deswegen wütend auf dich. Mir war schleierhaft, wie Du derart das Interesse an mir und
     am Leben verlieren konntest, aber halt, dieser Brief soll nicht zu einem Lamento ausarten. Du weißt, dass Jammern mir noch
     nie gelegen hat. Ich habe mich weder damals beklagt, als Du so hart

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