Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
hohlen Fahrzeugskelette.
Sie entkamen. Er geriet in eine Sackgasse, kehrte um und rannte zu seinem eigenen Auto. Es stand vor dem Bürogebäude, neben
der roten Corvette von Natalie Fortuin. Er konnte die Angreifer zwar nicht mehr aufhalten, aber die |59| Verfolgung aufnehmen, wenn er sich beeilte. Er blickte zum Tor und sah, wie sie hindurchrasten. Sie bogen rechts ab in Richtung
Stikland, und endlich erreichte er seinen Dienstwagen, einen weißen Opel. Er schob die Pistole in das Holster, wühlte mit
der linken Hand nach den Autoschlüsseln, streckte die rechte nach dem Türgriff aus, und da sah er das Foto. Es war mit einem
Streifen Klebeband an die Seitenscheibe geheftet worden. Er erstarrte.
Es war ein Foto von ihm und Natalie Fortuin.
Er zog das Foto von der Scheibe ab und blickte es ungläubig an. Es war vor wenigen Augenblicken aufgenommen worden, dort drinnen.
Er stand da, eine Hand auf die Schulter der verführerischen, halb entkleideten Schrottplatzbetreiberin gelegt, und aus der
Perspektive, aus der die Aufnahme entstanden war, spiegelte sich auf seinem Gesicht pure Geilheit wider. Nein, jeder Versuch
einer Ausrede wäre zwecklos. Das Foto zeigte unverkennbar ihn: sein Profil, die gallische Nase und die breiten Schultern seines
weißen Vaters und dazu den breiten Mund sowie die schwarzen Haare seiner farbigen Mutter.
Das Geräusch des brummenden BMW-Motors erstarb in der Ferne. Dekker lehnte an der Corvette und hörte, wie sein Herz gegen
seinen Brustkorb hämmerte. Ganz langsam und lange atmete er aus, denn dies war der Augenblick, in dem er begriff, dass er
in eine Falle getappt war.
Er stand an der Stelle, von wo aus das Foto aufgenommen worden war – ein schmaler Zwischenraum zwischen den Regalen voller
Vergaser, Scheinwerfer, Zündspulen und Anlasser. Die Öffnung zum Schreibtisch hin war gerade groß |60| genug, um ihn und die Frau vor die Linse zu bekommen. Er brauchte eine Weile, um die Situation zu rekonstruieren: Sie hatten
hier gestanden und auf ihn gewartet, die Kamera im Anschlag. Was bedeutete, dass sie von vornherein gewusst hatten, dass Natalie
Fortuin bei der Kripo Bellville anrufen und ausdrücklich verlangen würde, mit Sersant Dekker zu sprechen. Um dann mit ihrer
dunklen Stimme zu ihm zu sagen: »Ich bin die Besitzerin von ›Fortuin 500 Auto Spares and Scrap Yard‹. Da ist ein Syndikat,
das seine gestohlenen Autos hier umfrisieren will. Ich habe gehört, Sie sind ein unbestechlicher Bulle.«
»Das bin ich«, hatte er geantwortet.
»Gut, kommen Sie allein, dann gebe ich Ihnen, was ich habe.«
Er hätte nicht auf sie hören sollen. Richtiger wäre gewesen, seinem Vorgesetzten, Superintendent Cliffie Mketsu, Bescheid
zu sagen. Die Vorschriften verlangten, dass man mit dem Partner zusammen zu einem Einsatz fuhr, aber er hatte es nicht getan.
Er wollte den Fall allein lösen, er wollte die Lorbeeren ernten. Denn er war zu ehrgeizig. Das hatte Crystal ihm heute Morgen
vorgeworfen. »Du bist zu ehrgeizig, Frans.
Ich
bin deine Frau. Ich habe ein Recht darauf, Zeit mit dir zu verbringen. Aber wir leben ja nur noch aneinander vorbei!« In den
zwei Jahren ihrer Ehe war es noch nie zu einem so schlimmen Streit gekommen, und vielleicht hatte er sich deswegen nicht sofort
gewehrt, als Natalie Fortuin mit ihrem »Schön groß bist du«-Gesäusel begonnen hatte.
Als er hereingekommen war, hatte er sich nicht einmal darüber gewundert, dass keine anderen Leute anwesend waren, |61| nur diese üppige Frau in ihrem Schrottplatzbüro, die von Anfang an ihr Spiel mit ihm getrieben hatte. »Hast du auch ein großes
Gewehr, Dekker?« Während irgendjemand mit einer Kamera im Hintergrund gelauert, sich alles angehört und zur rechten Zeit ein
paar Fotos aufgenommen hatte. Dann hatte man sie erschossen. Und während er draußen unter dem Schrott-Corolla lag, hatten
sie das Bild ausgedruckt und an seine Autoscheibe geklebt. Aber das alles ergab doch überhaupt keinen Sinn!
Warum? Die ganze Mühe, die ganze Planung? Wozu?
Es war eine Riesenscheiße und vollkommen sinnlos.
Er sah, dass das Bild in seiner Hand zitterte. Er würde sich zusammenreißen müssen. Er war Fransman Dekker, ihm würde es gelingen,
die Sache ins Reine zu bringen.
Er fuhr zum Polizeipräsidium in der Voortrekkerstraat, erfüllt von dem überwältigenden Bedürfnis, Crystals Stimme zu hören.
Er rief sie auf dem Handy an.
»Ich kann jetzt nicht, Frans«, sagte sie.
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