Schwarzbuch ÖBB
Anzahl von Lokomotiven zur Verfügung stellen. Motto: Ein Generaldirektor spielt mit der Eisenbahn, koste es, was es wolle.
Deshalb bestellte Draxler für die ÖBB auf Teufel komm raus Lokomotiven der Marke Taurus, insgesamt 382. Die Herstellerfirma war – dreimal darf man raten – der Siemens-Konzern. Dieser Auftrag kostete die Republik insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro. Die erste Taurus-Lok wurde im Jahr 2000 ausgeliefert, die letzte im Jahr 2008.
… und -Schäume
Blöderweise löste sich der europäische Lok-Traum von Helmut Draxler in Luft auf. Kein anderes Land wollte mitziehen, und die ÖBB blieben auf den vielen Loks sitzen. Was sollte man damit anfangen?
Einige wurden an ausländische Eisenbahn-Unternehmen verleast, und weitere 51 werden seit 2008 verwendet, um die schnellen österreichischen Railjet-Züge zu ziehen.
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Railjet – ein teurer Luxus
Die Entwicklung des Railjets soll ein Notprogramm gewesen sein, um überzählige Taurus-Loks sinnvoll verwenden zu können. Dafür verantwortlich war der von 2004 bis 2008 bestellte ÖBB-Personenverkehrs-Chef Stefan Wehinger.
Allein schon der Name »Railjet« kam die ÖBB teuer zu stehen. Er wurde 2004 von einem ÖBB-Mitarbeiter im Rahmen eines »Workshops« erfunden, der vom PR-Berater Peter Hochegger moderiert wurde. Hochegger ließ den Namen sofort markenrechtlich schützen – zu seinen Gunsten. Als die ÖBB dies einige Monate später ebenfalls versuchten, mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass der Workshop-Moderator schneller gewesen war.
Um sich den Namen »Railjet« trotzdem zu sichern, bezahlten die ÖBB schließlich zähneknirschend 180.000 Euro an Hochegger. In dieser Sache läuft ein Strafverfahren, dem sich die ÖBB als Privatbeteiligte anschlossen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Nutzen und Qualität
Über den Nutzen und die Qualität des Railjets gab es von Anfang an heftige Diskussionen. Bahnfans verpassten ihm den Spitznamen »Quäljet«.
Fahrgäste kritisierten vor allem den mangelnden Fahrkomfort: zu harte Sitze, zu geringe Sitzabstände, zu laute und zu häufige Lautsprecherdurchsagen, fehlende Sonnenrollos, keine Möglichkeit für Fahrrädertransporte, ungeeignet für Rollstuhlfahrer, Bistro- anstatt Restaurant-Betrieb, nicht funktionierende WLAN-Verbindungen.
Nach massiven Protesten wurde einiges verändert. So wurden zum Beispiel die Bistros zu Restaurants umgebaut und der Zugang für Rollstuhlfahrer verbessert.
Experten-Kritik
Bahnexperten kritisieren beim Railjet die Verbindung zwischen Taurus-Lok und Waggons, weil es dabei zu starken Luftverwirbelungen kommt. Außerdem haben die Taurus-Loks Schwierigkeiten, die Geschwindigkeit über 200 km/h hinaus auf 230 km/h zu steigern – sie benötigen dafür eine Strecke von fast sieben Kilometern. Nachteilig ist auch der enorm hohe Energieverbrauch. Laut ÖBB-internen Kalkulationen betragen allein die Stromkosten für die Strecke Wien–Salzburg pro Jahr mehrere Millionen Euro.
Besonders problematisch ist der Einsatz der Railjets auf der Südbahnstrecke über den Semmering. In engen Kurven kann nur mit 60 km/h oder noch langsamer gefahren werden, und die Züge ächzen und stöhnen, als ob sie gleich auseinanderbrechen würden.
Die Abnutzung der Gleise ist bei Bergstrecken besonders hoch. Laut ÖBB gilt das aber nicht nur für den Railjet, sondern auch für andere Züge. Tatsache ist jedenfalls, dass der Railjet bei unseren Nachbarn nicht mit offenen Armen empfangen wurde. In Italien darf er nicht verwendet werden, und in der Schweiz wird er nur auf einer einzigen Strecke geduldet – zwischen Buchs und Zürich.
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ÖBB-Technik – fehlerhaft und veraltet
Unser Regionalexpress taucht pünktlich am vereinbarten Bahnsteig auf. Der Lokführer bringt ihn auf dem Bahnsteig so zum Stehen, dass Friedrich Z. anerkennend nickt. »So ist es richtig«, brummt er. Eine schwere Eisentür öffnet sich, ein lächelnder Mann begrüßt uns, und eine Handbewegung sagt: »Herauf!«
Wir klettern die steilen Stufen hoch und betreten einen fensterlosen Gang, in dem ein Höllenlärm herrscht und alles vibriert, Boden und Wände. Wir gehen nach vorne zum Führerstand, und erst als der Lokführer die Tür hinter uns schließt, wird der Lärm erträglich. Das also ist der Führerstand einer Taurus-Lok: zwei gepolsterte Sitze, viele Kabel, Hebel, Schalter und Monitore und eine große zweiteilige Stirnscheibe mit Blick auf den Bahnhof und die vor uns liegenden Gleise.
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