Schwarzbuch ÖBB
dafür ist eben die Südbahnstrecke zwischen Wien und Wiener Neustadt, auf der wir uns gerade bewegten.
Irgendwann fiel den EU -Geldgebern ein, dass man vielleicht auch kontrollieren sollte, ob die subventionierten Österreicher sich an die Regeln halten. Worauf das Verkehrsministerium in Wien ein Schreiben aus Brüssel erhielt, das für Aufregung sorgte: Der Subventions-Trick würde auffliegen! Nun saß man in der Patsche und hatte zwei Möglichkeiten: Entweder zahlte man die kassierten EU -Subventionen wieder zurück, oder man rüstete die bereits gebauten »Hochleistungsstrecken« auf 250 km/h hoch. Im Verkehrsministerium fing man an zu rechnen und stellte fest, dass ein Hochrüsten günstiger wäre. Und so geschah es dann auch.
ÖBB-Tricks – ganz groß
Das war aber nur der erste Akt der ÖBB -Schlawinereien. Beim zweiten Akt ging und geht es um einen wesentlich größeren Brocken, und das Geld, das dabei verschwand und nach wie vor verschwindet, wird wohl nie zurückgezahlt werden. Hier spielte die EU nur eine bedeutungslose Nebenrolle. Hier ging und hier geht es nach wie vor um viel Geld aus dem österreichischen Steuertopf.
Kommen wir zunächst noch einmal auf die Richtlinien zurück, welche die Europäische Kommission für den Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken festlegte. Da ging es auch um den Abstand zwischen zwei Gleispaaren – in der Fachsprache als »Gleisabstand« bezeichnet:
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Bis 250 km/h sollte dieser mindestens vier Meter betragen,
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bis 300 km/h mindestens 4,20 Meter
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und über 300 km/h mindestens 4,50 Meter.
Österreich ist breiter
Da in Österreich die schnellsten Bahnstrecken für maximal 250 km/h gebaut werden und die schnellsten Züge hier sowieso nur 230 km/h fahren, würden also vier Meter genügen.
Und selbst wenn die Bahnstrecken auf Jahrzehnte voraus geplant würden, wäre ein Gleisabstand von 4,50 Metern mehr als ausreichend.
In den ÖBB -Richtlinien für Hochleistungsstrecken vom Jahr 1989 beziehungsweise 2002 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der Gleisabstand nicht 4,50, sondern 4,70 Meter betragen soll. Warum diese Verbreiterung? Haben wir es hier vielleicht mit einem Fall von nationalem Größenwahn zu tun?
Die ÖBB erklären dazu, dass bei Strecken, auf denen sich »schnelle Personenzüge und schwere Güterzüge uneingeschränkt begegnen können«, 4,70 Meter Gleisabstand notwendig sind und sich in Deutschland bei hohen Geschwindigkeiten ausschließlich Personenzüge begegnen. Diese Behauptung ist falsch. In Deutschland gibt es bis zu einer Geschwindigkeit von 250 km/h keine derartigen Einschränkungen. Nur bei Geschwindigkeiten über 250 hm/h gilt die Einschränkung, dass sich Personen- und Güterzüge nicht in Tunneln begegnen dürfen, die länger als tausend Meter sind, sonst aber schon. 4,70 Meter sind in Deutschland nur für uneingeschränkten Mischverkehr bei 300 km/h vorgeschrieben. Übrigens verwenden die ÖBB einen Gleisabstand von 4,70 Metern auch für Strecken mit maximal 160 km/h.
Die teuersten zwanzig Zentimeter aller Zeiten
Jedenfalls kann man ganz nüchtern feststellen, dass der kleine Unterschied von zwanzig Zentimetern eine Verbreiterung von rund vier Prozent bedeutet – bei allen Tunneln, Strecken, Unterführungen und Brücken. Und dementsprechend eine Kostensteigerung um rund vier Prozent.
Rechnet man nun alle Kosten für Neubauten und Instandhaltung im Bereich der ÖBB -Infrastruktur zusammen, ergibt das für den Zeitraum 2005 bis 2050 eine geschätzte Summe von siebzig bis achtzig Milliarden Euro. Etwa die Hälfte davon, also geschätzte 35 bis vierzig Milliarden Euro, fließt in Strecken mit unnötig breiten Gleisabständen.
Vier Prozent davon sind 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro! Das ist ganz schön viel Geld, wie der biedere Österreicher sagen würde. Wer profitiert davon? Baufirmen – wer sonst! Und natürlich Banken, weil der Staat dieses Geld ja nicht einfach aus der Portokasse bezahlt.
Ein 1,5-Milliarden-Geschenk
Langfristig handelt es sich beim »österreichischen« Gleisabstand also um ein Unterstützungszuckerl für die Bauindustrie und die Banken. Man kann das allerdings auch als Schlawinerei auf sehr hohem Niveau bezeichnen. Sieht niemand, merkt niemand und findet trotzdem statt.
Und macht deutlich, was bei der Verkehrsplanung und bei den ÖBB so alles läuft. Da stellt sich dann auch die Frage, ob vielleicht einige Millionen an Leute zurückgeflossen sind, die bei dieser Sache die Hand im Spiel hatten.
Wer dafür
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