Schwarzbuch ÖBB
Geist immer noch in den ÖBB .«
Leistung – ein Fremdwort bei den ÖBB
Leistung war laut Pocher bei den ÖBB einfach nur Anwesenheit. Es ging nicht darum, was jemand gearbeitet hat, sondern wie viel Zeit jemand irgendwo verbracht hat. Wichtig war, möglichst viele Leute einzustellen – je mehr, umso mächtiger wurde die Gewerkschaft. Pocher weiß nicht, ob da vom Ministerium Druck gemacht wurde oder von der SPÖ oder von der Gewerkschaft, aber es war so. Bei den ÖBB , sagt Pocher, arbeiten in vielen Bereichen Top-Leute, die ihr Geschäft verstehen, aber innerhalb der bestehenden Organisationsstruktur haben die ein schweres Leben.
Wenn man gesagt hat: Da könnte man vielleicht ein oder zwei Mitarbeiter einsparen – die brauchen wir gar nicht –, dann bekam man sofort Probleme mit der Gewerkschaft und wurde vor Gericht gezerrt. Selbst in Ostdeutschland, sagt er, sei es nicht so schlimm gewesen wie in Österreich. Es ging nicht um die Kunden, um die Fahrgäste, sondern in erster Linie um die Mitarbeiter.
Die ÖBB beschäftigen heute etwa 40.000 Mitarbeiter, die Schweizer Bahn nur etwa 28.000. Und trotzdem ist dort die Verkehrsleistung im Personenverkehr mehr als dreimal so hoch wie in Österreich!
Unkündbar
Zu Beginn des Jahres 1991 gab es bei den ÖBB erstmals den Versuch, den Personenverkehr nach Schweizer Vorbild besser zu vernetzen und einen Taktfahrplan zu erstellen. Laut Pocher war es bis dahin so, dass die Züge mehr gestanden als gefahren sind. Um diese Fahrplanänderung durchzuführen, benötigte die ÖBB die Zustimmung der Gewerkschaft. Es wäre laut Pocher problemlos möglich gewesen, diese Veränderung ohne zusätzliches Personal durchzuführen. Aber die Gewerkschaft sagte: Dafür brauchen wir mehr Personal. Also wurden damals sehr viele neue Mitarbeiter eingestellt. Und heute wird man die nicht mehr los, obwohl man sie für den Betrieb nicht mehr benötigt. Sie sind unkündbar.
Diesem Denken – zuerst geht es um das Personal und erst weit dahinter um die Kunden und um eine wirtschaftliche Betriebsführung – wurde alles unterworfen. Das Wort Wirtschaftlichkeit durfte man nicht einmal in den Mund nehmen. Dann ist man sofort auf dem gewerkschaftlichen Scheiterhaufen verbrannt worden. Man hat sich immer auf den Kreisky-Spruch berufen: Mir ist lieber, wir machen ein paar Milliarden Schulden, als dass wir ein paar tausend Arbeitslose haben.
Egal, was es kostet
Beispielsweise wäre es problemlos möglich gewesen, schon in den 1980er Jahren den Betrieb zu automatisieren und damit zu rationalisieren. Dadurch wären einige Mitarbeiter überflüssig geworden. Das hat die Gewerkschaft verhindert.
Beispielsweise haben die ÖBB bei der verstaatlichten Firma SGP (Simmering Graz Pauker), die dem Verkehrsministerium unterstellt war, immer dann Lokomotiven gekauft, wenn dort nicht genügend Aufträge vorhanden waren – egal, ob die ÖBB Lokomotiven benötigten oder nicht. Man ging nach dem Motto vor: Ein Staatsbetrieb hilft dem anderen, egal, was es kostet. Da hat niemand gefragt, ob und welche Lokomotiven man wirklich braucht. Es ging nie um Leistung oder Produktivität. Das Geld war einfach da. Der Staat hat es zur Verfügung gestellt.
Verbotene Fragen
Niemand bei den ÖBB hat etwa gefragt: Warum haben schweizerische oder holländische Lokomotiven eine sehr viel höhere Laufleistung als unsere? Warum sind wir so schlecht? Solche Fragen waren verboten.
Die betrieblichen Entscheidungen, die bei den ÖBB gefällt wurden, waren rational meist nicht nachvollziehbar. Da hat es wohl immer entsprechenden Druck von der Politik oder der Gewerkschaft gegeben. Darunter leide das Unternehmen heute noch, sagt Pocher und fügt hinzu: »Wie sollen wir in einer globalisierten Welt bestehen, wenn ständig irrationale Entscheidungen gefällt werden?«
Konkurrenz – auf keinen Fall
Einmal hat Pocher versucht, auf dem freien Markt Angebote für die Reparaturkosten eines Motors einzuholen. Mehr hat er nicht gebraucht! Grad, dass er nicht gesteinigt wurde. Man wollte auf keinen Fall Konkurrenz. Das war so, als ob man sich dem Teufel in die Arme wirft!
Pocher: »Ich hab denen erklärt: Wenn wir so weiterwirtschaften, verlieren wir irgendwann unsere Arbeit. Denn ewig wird der Staat so eine Misswirtschaft nicht bezahlen können.« Pocher ist der Meinung, dass sich diese Einstellung in den vergangenen Jahren zwar ein wenig gebessert habe. Aber sie sei immer noch vorhanden. Wenn er in der Zeitung lese, dass die Finanzministerin
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