Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
Jedenfalls – im Royal , das konnte ich sogleich sehen, als ich es betrat, war ausnahmslos alles rosa. Von den mächtigen Kronleuchtern in der viktorianisch anmutenden Halle über die Teppiche, die Treppen, Fenster, Türen und Tapeten war alles in dieser mittlerweile auch für Unterwäsche nicht mehr so gebräuchlichen Tönung gehalten. Selbst das Telefon auf meinem Zimmer war rosa, die Badewanne selbstverständlich, und auch das Bidet, das ich höflich ignorierte, weil Laureen mit mir hinaufgefahren war, um sich zu überzeugen, daß ich meine Suite passabel fand.
    Â»Laß uns was essen«, lud ich sie schließlich ein, »auch was trinken, aber möglichst keinen rosa Sekt!«
    Wir ließen uns nicht im Hotel nieder, sondern in einem Anbau neueren Datums, dem »Surf Room«, wo es nicht gerade wie bei McDonalds zuging, aber immerhin schon ein bißchen weniger rosa.
    Der Vorteil des »Surf Room« war, daß es sehr dicht am Strand lag. Man konnte die Bucht überblicken, das Gewimmel der Badenden, konnte die weißen Segel der Jachten draußen auf dem Meer sehen, und, vorausgesetzt sie dudelten nicht gerade die Sorte Musik ab, die auf Blech gemacht wurde, vermeinte man das Rauschen der Brandung zu hören. Man glaubte, den Geruch nach Salz und Tang zu schnuppern. Aber da lachte Laureen laut: »Wieder einer, den sie kriegen! Was du riechst, ist ein künstlicher Duftstoff, der kommt aus der Klimaanlage, die das Desinfektionsmittel für das Luftrohrsystem mit dieser Geruchsillusion kombiniert ...«
    Schlau, die Mischung dieser Leute, die hier lebten. Die Ureinwohner hatten, obgleich einer der ihren den Entdecker Cook letztlich erschlug, keine Bedenken gehabt, sich mit all den auf stolzen Schiffen eintreffenden Fremden zu vermischen. So entstand die bezaubernde Mixtur aus Polynesiern, Japanern, Chinesen, Amerikanern und einem guten Dutzend anderen. Man ließ sich immer wieder etwas neues einfallen, wenn es darum ging, den Besuchern zu vermitteln, daß es sich bei den Inseln um das wahre Paradies der Menschheit handelt, just ein oder zwei Flugstunden vom Äquator entfernt.
    Â»Wie lange ist es her, daß du von Hongkong weg bist?« fragte ich Laureen. Sie überlegte. Es waren etwa zwei Jahrzehnte.
    Â»Und du bist glücklich hier?«
    Sie bejahte es. »Wäre ich sonst geblieben? Wesley hatte einen guten Start auf Oahu. Zuerst trat er mit einer Kapelle im »Ala Moana« auf, das ist auch so ein Nostalgie-Hotel aus den zwanziger Jahren, nicht weit vom Jachthafen entfernt. Ich schrieb seine Arrangements ab.« Sie lachte: »Sein Saxophon war bald Stadtgespräch in Downtown. Das war die Zeit, als er anfing, Platten zu machen ...«
    Ein Mädchen, dessen Rock apart kurz war und mich an die Mode meiner Hongkonger Freundin Pipi erinnerte, brachte uns garantiert alkoholfreie Cocktails, die in allen Regenbogenfarben leuchteten. Während ich bedachtsam an dem Plastikhalm sog, hörte ich Laureen zu. Wie es schien, war Wesley Blair ein erfolgreicher Musiker gewesen, aber auch ein guter Geschäftsmann. Ein paar Jahre nach der Ankunft hatte er die Chance wahrgenommen, ins Musikgeschäft einzusteigen. Wenig später konnte er für sich und seine Frau die Villa in Waialae kaufen, und dann war das Geschäft mit den Schallplatten erst richtig aufgeblüht.
    Â»Ich habe mich um die Finanzen gekümmert«, sagte Laureen, »obwohl wir ein Büro mit guten Leuten hatten. Wes wollte es so. Er selbst hatte nicht die Eignung, die Firma zu leiten, das hätte ihn umgebracht ...«
    Sie stockte. Dachte nach und fügte schließlich an: »Nun ja, ich kann mich nicht mit dem Gedanken abfinden, daß es ihn nicht mehr geben soll, obwohl ich die Ahnung nicht loswerde, daß es so ist. Immer hoffe ich, er ist irgendwo, er wird von dort zurückkommen. Du wirst ihn finden ...?«
    Â»Wie lange vermißt du ihn?«
    Â»Drei Wochen. Ich sah ihn zuletzt im Studio. Das haben wir in der Queen Emma Street, gar nicht weit vom State Capitol, wo der Gouverneur sitzt. Gute Geschäftsgegend. Teuer. War mal der Wohnsitz unserer letzten, dichtenden Königin. Das State Capitol, meine ich ...«
    Ich kannte die Gegend. Brannte mir eine Zigarette an, blies den Rauch seitlich an Laureen vorbei und erkundigte mich: »Keine Lösegeldforderung?«
    Â»Nichts.«
    Â»Aber das könnte das Motiv sein, oder?«
    Sie erzählte langsam:

Weitere Kostenlose Bücher