Schwarze Flotte 03 - Entscheidung bei Koornacht
Drayson in dessen Haus am Nordufer des Victory Lake persönlich drei Datacards mit den genetischen Sequenzen des Leichnams.
Draysons Gesicht wirkte müde und abgespannt, als er sie mit einer fast mechanisch wirkenden Geste in die Arme nahm. »Ich hatte erwartet, dass du mir die Sequenzen gesichert übermittelst.« Er rieb sich die Augen. »Damit habe ich sogar schon vor einigen Stunden gerechnet.«
»Da wussten wir noch nicht, wie umfangreich die Sequenzen sind. Sie zu kodieren und dann den Bericht zu übermitteln hätte fast genauso lange gedauert, wie hierher zu fliegen«, sagte sie und ging an ihm vorbei in den großen Salon. »Und dann hätte ich dich auch nicht zu sehen bekommen.«
Ein müdes Lächeln spielte um seine Lippen. »Du sagst, ihr habt etwas Überraschendes gefunden?«, fragte Drayson und folgte ihr.
»Sehr überraschend«, sagte sie. »Was für einer Spezies hat dieses Geschöpf angehört, Hiram? Ich würde liebend gern mehr über seine Ethologie und seine ökologische Nische wissen.«
»Darauf habe ich zur Zeit ein kleines Forschungsteam angesetzt«, sagte Drayson. »Ich hoffe, ich kann dich bald mit ihren Erkenntnissen vertraut machen. Was war das denn für eine Überraschung? Betrifft es die Menge an genetischem Material?«
Sie ließ sich in einem Lehnsessel am Seefenster des Salons nieder. »Genau das ist es«, sagte sie. »Diese Spezies verfügt über drei – mindestens drei – unterschiedliche Zelltypen, die genetisches Material enthalten. Die normalen somatischen Zellen haben zweiundsechzig Chromosomen…«
»Das ist hoch, nicht wahr?«, fragte Drayson und ließ sich auf einer kleinen Polsterbank in der Nähe nieder. »Weiter.«
»Ja, das stimmt. Aber das ist bei weitem noch nicht alles«, sagte sie. »Diese Spezies hat zusätzlich noch zwei andere Arten von genetischem Material in zwei verschiedenen Strukturen, die in zwei verschiedenen Teilen ihres Körpers lokalisiert sind.
Ich nenne sie Codekapseln, weil sie von einer massiven Proteinschicht bedeckt sind. Der Leichnam enthält Milliarden solcher Kapseln. Ich hätte sie beinahe für eine parasitäre Infektion gehalten – deshalb habe ich eigentlich auch ursprünglich nach ihnen gesucht.«
»Wie groß sind die Kapseln?«
»Groß. Etwa so groß wie die größten Siliziumdioxydkristalle da draußen am Strand«, sagte sie. »Aber sie haben dieselbe ovale Form wie der Körper der Kreatur. Ich habe allein fünf Stunden dazu gebraucht, bis ich wusste, wie ich sie aus ihren Kanälchen raushole und die Proteinschicht aufbreche, ohne den Inhalt zu zerstören. Und dieser Inhalt erwies sich als fast solides genetisches Material.« Sie deutete auf die Datacards. »Deine DNS und meine zusammen würden nicht einmal eine dieser Karten füllen und ich habe es nur mit Mühe geschafft, das Genom der Kreatur auf drei davon zu speichern.«
Drayson starrte auf die Karten, die sie immer noch in der Hand hielt. »Das ist ein Exemplar? Ich hatte gedacht, du hättest Kopien gemacht.«
»Ein Exemplar. Soweit ich bisher feststellen konnte, macht das genetische Material fast fünf Prozent des Körpergewichts der Kreatur aus. So etwas ist noch nie da gewesen.«
»Wozu braucht es denn so viel?«
»Das ist eine gute Frage«, sagte sie. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es wesentlich mehr ist, als nach allen Erkenntnissen der Informationstheorie notwendig wäre, um einen Organismus von der Größe und Komplexität, wie ich ihn untersucht habe, zu spezifizieren und aufzubauen.«
»Wie viel mehr?«
Sie kniff die Augen zusammen und überlegte kurz. »Vielleicht zweihundert Mal zu viel.«
»Und was bedeutet das?«
»Das weiß ich nicht«, sagte sie und zuckte die Achseln. »Dazu fehlt mir das Umfeld. Vielleicht, wenn dein Team berichtet…«
»Dann wenigstens eine grobe Schätzung, bitte.«
Eicroth runzelte die Stirn. »Also, unsere Chromosomen enthalten eine Menge historisches Material, in Gestalt inaktiver Gene, heißt das. Vielleicht haben wir es hier mit etwas Ähnlichem zu tun, aber für eine wesentlich längere Zeitspanne oder einen wesentlich verschlungeneren Evolutionsgang.«
»Sonst noch irgendwelche Ideen?«
»Eine, aber die ist ziemlich abstrus«, sagte sie mit einem fast schüchtern wirkenden Lächeln. »Vielleicht liegt es daran, dass ich ursprünglich von der Idee ausging, es würde sich bei diesen Kodekapseln um Parasiten handeln. Ich frage mich aber immer noch, welchen Nutzen sie eigentlich für den Organismus selbst haben. Die
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