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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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linken Ohr entfernt gewesen, fuhr die Männerstimme etwas leiser fort: »… wo du nicht gewesen bist.«
    Wieder drehte ich mich um und stellte fest, dass ich noch immer allein war.
    Während das Leuchten des Mausoleums auf der Anhöhe weiter verblasste, senkte die Stimme sich zu einem Flüstern: »Ich zähle auf dich.«
    Jedes Wort war leiser als das vorherige. Als das goldene Licht sich endgültig in die Kalksteinwände des Grabs zurückgezogen hatte, kehrte wieder Stille ein.
    Ich habe dich gesehen, wo du nicht gewesen bist. Ich zähle auf dich.
    Wer das gesagt hatte, war kein Geist. Schließlich sehe ich die zögerlichen Toten, doch dieser Mann war unsichtbar geblieben. Außerdem sprechen die Toten nicht.
    Gelegentlich versuchen sie allerdings, nicht nur mit Nicken, Kopfschütteln und anderen Gesten mit mir zu kommunizieren, sondern auch pantomimisch, was ziemlich frustrierend sein kann. Wie jeder geistig gesunde Bürger werde ich jedes Mal, wenn ich unversehens auf einen seine Kunst ausübenden Pantomimen stoße, von dem Drang ergriffen, ihn zu erwürgen. Einen Pantomimen, der bereits tot ist, kann diese Drohung natürlich nicht schrecken.
    In scheinbarer Einsamkeit drehte ich mich einmal ganz um die eigene Achse und sagte dabei: »Hallo?«
    Die einzige Stimme, die antwortete, war eine Grille, die den räuberischen Fröschen entkommen war.

3
    Die Küche im Haupthaus war zwar nicht so riesig, um darin Tennis spielen zu können, aber dafür war jede der beiden Arbeitsinseln in der Mitte groß genug für ein Tischtennismatch.
    Einige der Arbeitsflächen ringsum waren aus schwarzem Granit, andere aus Edelstahl. Wandschränke aus Mahagoni. Ein weiß gefliester Boden.
    Keine einzige Ecke war geschmückt mit, sagen wir mal … Keksdosen in Teddybärenform, Keramikfrüchten oder bunten Geschirrhandtüchern.
    Die warme Luft duftete nach Frühstückscroissants und unserem täglichen Brot. Gesicht und Statur von Mr. Shilshom ließen vermuten, dass seine Sünden allesamt mit Essen zu tun hatten. Seine in sauberen weißen Turnschuhen steckenden Füße waren so klein, dass sie aussahen, als hätte man sie an die massigen Beine eines Sumoringers transplantiert. Von dem monumentalen Rumpf leitete ein mehrfach gestuftes Doppelkinn zu einem fröhlichen Gesicht mit einem bogenförmigen Mund, einer glockenförmigen Nase und zwei Augen über, die so blau waren wie die des Weihnachtsmanns.
    Während ich mich auf einem Hocker niederließ, der an einer der Arbeitsinseln stand, verriegelte der Küchenchef doppelt die Tür, durch die er mich eingelassen hatte. Tagsüber blieben die Türen unverschlossen, aber von der Abend- bis zur Morgendämmerung lebten Wolflaw und sein Personal hinter Schloss und Riegel, was er ja auch Annamaria und mir dringend empfohlen hatte.
    Mit sichtlichem Stolz setzte Mr. Shilshom mir einen Teller vor, auf dem das erste frisch aus dem Ofen gekommene Croissant lag. Der Duft von Buttergebäck und warmem Marzipan stieg in die Luft wie ein Opfer an den Gott kulinarischer Exzesse.
    Vorerst schnupperte ich nur, um einen kleinen Belohnungsaufschub zu genießen. »Ich kann bloß mit Grill und Bratpfanne hantieren«, sagte ich. » So etwas betrachte ich mit wahrer Ehrfurcht.«
    »Na, na. Schließlich habe ich Ihre Pfannkuchen und Kartoffelpuffer gekostet. Sie können bestimmt genauso gut backen, wie Sie braten können.« Der Koch bestand darauf, mich zu siezen, obwohl das sonst praktisch niemand tut. Ich hingegen sieze grundsätzlich. Ist einfach meine Art.
    »Kaum, Sir. Wenn kein Pfannenwender im Spiel ist, dann ist es kein Gericht, für das mein Talent sich eignet.«
    Trotz seiner Masse bewegte Mr. Shilshom sich mit der Anmut eines Tänzers, und seine Hände waren so flink wie die eines Chirurgen. In dieser Hinsicht erinnerte er mich an meinen hundertachtzig Kilo schweren Freund und Mentor Ozzie Boone, einen Autor von Kriminalromanen, der einige Hundert Meilen von diesem Ort entfernt in meiner Heimatstadt Pico Mundo lebte.
    Abgesehen davon hatte der rundliche Koch kaum etwas mit Ozzie gemein. Der einzigartige Mr. Boone war gesprächig, vielseitig gebildet und an allem interessiert. Ans Schreiben seiner Bücher, ans Essen und an jedes einzelne Gespräch ging Ozzie mit so viel Energie heran wie David Beckham an sein Fußballspiel. Er schwitzte jedoch nicht so stark wie Beckham.
    Mr. Shilshoms Leidenschaft schien sich hingegen ausschließlich aufs Backen und Kochen zu erstrecken. Wenn er bei der Arbeit war, bestritt er

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