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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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muss. Dabei finden sich immer wieder neue, freundliche Begleiter.
    Zumindest sehe ich die Sache so. Ich bin ziemlich sicher, dass das nicht bloß eine Ausrede ist, um nicht aufs College zu gehen.
    In dieser ungewissen Welt bin ich mir nicht vieler Dinge gewiss, aber ich weiß, dass Boo nicht deshalb hierbleibt, weil er – wie manche menschlichen Geister – Angst vor dem hat, was nach diesem Leben kommt, sondern weil ich ihn an einem kritischen Punkt meiner Reise brauchen werde. Ich will mich nicht zu der Behauptung versteigen, er sei mein Schutzgeist oder - engel, aber seine Gegenwart tröstet mich. Punkt.
    Beide Hunde wedelten mit dem Schwanz, als sie mich erblickten. Allerdings klopfte nur der von Raphael hörbar an das Sofa.
    Früher hatte Boo mich oft begleitet. Hier in Roseland jedoch blieben beide Hunde in der Nähe der Glockendame, als fürchteten sie um deren Sicherheit.
    Raphael war sich bewusst, dass Boo vorhanden war, und Boo sah manchmal Dinge, die ich nicht sah. Das ließ vermuten, dass Hunde aufgrund ihrer Unschuld die ganze Realität der Existenz sehen, für die wir blind geworden sind.
    Ich setzte mich zu Annamaria an den Tisch und kostete den Tee, der mit Pfirsichnektar gesüßt war. »Mr. Shilshom ist ein Schwindler«, sagte ich.
    »Er ist ein guter Koch«, erwiderte Annamaria.
    »Er ist sogar ein sehr guter Koch, aber er ist nicht so unschuldig, wie er sich gibt.«
    »Das ist niemand«, sagte sie mit einem so feinen und nuancierten Lächeln, dass die Mona Lisa vergleichsweise die Zähne bleckte.
    Seit dem Augenblick, als ich Annamaria in Magic Beach auf einem Pier getroffen hatte, war mir klar gewesen, dass sie einen Freund brauchte und dass sie anders als andere Menschen war. Nicht so wie ich es bin mit meinen prophetischen Träumen und meinem Blick für Geister, sondern auf ihre ganz eigene Weise anders.
    Ich wusste kaum etwas über diese Frau. Als ich sie gefragt hatte, woher sie komme, da hatte sie geantwortet: »Von weit her.« Ihr Tonfall und ihr leicht amüsierter Gesichtsausdruck hatten darauf hingedeutet, dass diese Antwort ein Understatement war.
    Sie wiederum wusste eine Menge über mich. Zum Beispiel hatte sie meinen Namen schon gekannt, bevor ich mich vorgestellt hatte. Sie hatte auch gewusst, dass ich die Geister der zögerlichen Toten sehe, obwohl ich nur einigen meiner engsten Freunde von dieser Gabe erzählt habe.
    Inzwischen war mir klar geworden, dass sie mehr als nur anders war. Sie stellte ein so komplexes Rätsel dar, dass ich ihre Geheimnisse nie erfahren würde, falls sie sich nicht entschied, mir den Schlüssel zu schenken, mit dem ich die Wahrheit über sie erschließen konnte.
    Sie war achtzehn Jahre alt und schien im achten Monat schwanger zu sein. Bis wir uns zusammengetan hatten, war sie eine Weile allein auf der Welt gewesen, hatte jedoch keinen der Zweifel und keine der Sorgen gehabt, die andere junge Frauen in ihrer Lage plagen.
    Obwohl sie absolut nichts besaß, war sie nie in Not. Sie sagte, die Leute schenkten ihr, was sie brauche – Geld, ein Dach über dem Kopf – , obwohl sie nie um etwas bitte. Dass diese Behauptung stimmte, hatte ich mit eigenen Augen gesehen.
    Wir hatten Magic Beach in einem Mercedes verlassen, den uns Lawrence Hutchison geliehen hatte. Hutch war vor fünfzig Jahren ein berühmter Filmschauspieler gewesen; inzwischen war er achtundachtzig und betätigte sich als Kinderbuchautor. Ich hatte eine Weile als Koch und Chauffeur für ihn gearbeitet, bevor es in Magic Beach zu gefährlich für mich geworden war. Den Wagen hatten wir später bei Hutchs Großneffen Grover abgegeben, der in Santa Barbara als Anwalt praktizierte.
    Im Empfangszimmer von Grovers Kanzlei waren wir dann auf Noah Wolflaw getroffen, der dort Klient war und gerade einen Termin gehabt hatte. Wolflaw fühlte sich sofort von Annamaria angezogen, und nach einem kurzen Gespräch, das so verwirrend war wie viele Unterhaltungen hier, hatte er uns nach Roseland eingeladen.
    Annamarias starke Anziehungskraft war nicht sexueller Natur. Sie war weder schön noch hässlich, aber hausbacken sah sie auch nicht aus. Klein, aber nicht zierlich, mit einem vollkommenen, wenn auch bleichen Teint, strahlte sie eine Präsenz aus, über deren Ursprung ich immer wieder nachgrübelte, ohne zu einem Schluss zu kommen.
    Was immer uns verband, Romantik war nicht dabei. Die Wirkung, die sie auf mich – und auf andere – hatte, war tiefer als sinnliches Verlangen. Man wurde seltsam demütig

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