Schwarze Rosen
Commissario ließ sich Zeit. Es war nicht seine Art, gleich zu Beginn einer Untersuchung Hypothesen aufzustellen, die sich dann nach ein paar Wochen, manchmal schon nach Tagen oder gar Stunden, als unbegründet erwiesen und wie Sandburgen in sich zusammenfielen.
»Das Warum ist zurzeit noch ein großes Rätsel, Herr Präsident«, antwortete er daher lediglich.
»Aber dieses Rätsel muss so schnell wie möglich gelöst werden, lieber Dottore . Dieser Vorfall könnte große Beunruhigung in der Bevölkerung auslösen, und das ist es wohl auch, was dem Bürgermeister Sorge bereitet, soweit ich es verstanden habe.« Sein Ton war autoritär geworden.
›Lieber Dottore‹, dachte Ferrara. Noch kein Vorgesetzter hatte ihn bisher so angesprochen, noch dazu so betont. Mal was Neues. »Herr Präsident, wir werden nichts außer Acht lassen und in alle Richtungen ermitteln. Ich stehe, wie gesagt, bereits mit dem Gerichtsarzt in Kontakt und werde Ihnen baldmöglichst die ersten Ergebnisse mitteilen.«
»Gut. Wie Sie sich vorstellen können, will auch der Polizeichef auf dem Laufenden gehalten werden, und ich darf ihn nicht enttäuschen. Wir können nur hoffen, dass die Nachricht nicht durchsickert, denn die Medien würden sich gierig auf so etwas stürzen. Mit den Kriminalreportern würde gleich die Fantasie durchgehen, und es gäbe ja auch genug Futter für diese Aasgeier.«
Ferrara nickte und wechselte das Thema, indem er kurz und bündig den Ablauf des letzten Einsatzes zur Drogenbekämpfung schilderte. Adinolfis Haltung jedoch verriet ihm, dass das Interesse seines Vorgesetzten im Moment auf anderes gerichtet war. Schließlich erhoben sich beide und verabschiedeten sich mit einem festen Händedruck.
Als der Polizeipräsident wieder allein war, zog er seinen Hosenbund hoch und setzte sich. Er griff zum Füller und schrieb flüssig weiter. Jetzt hatte er mehr Detailinformationen für das Sekretariat des Polizeichefs.
Die unumstößlichen Regeln der Bürokratie mussten eingehalten werden.
Das war das A und O.
4
Als ihr Chef zu ihnen stieß, waren die Techniker von der Spurensicherung, die wie üblich in Begleitung ihrer schweren Koffer gekommen waren, schon seit fast einer Stunde in der Aufbahrungshalle bei der Arbeit.
Gianni Fuschi war um sein persönliches Erscheinen gebeten worden, kaum dass er einen Fuß in sein Büro gesetzt hatte.
»Hier gibt es etwas, dass Sie sehen sollten, Capo. Innen im Sarg«, hatte der dienstälteste Techniker gesagt, worauf Fuschi sofort losgeeilt war.
Er trug einen dunkelbraunen Anzug und ein sportliches cremefarbenes Hemd ohne Krawatte. Die band er sich nur zu offiziellen Anlässen um. Eine eher lässige Aufmachung, zu der auch seine relativ langen Haare passten. Wer ihn nicht kannte, würde ihn vielleicht für einen Universitätsprofessor halten, aber bestimmt nicht für einen Kriminalbeamten, der mit Mikroskopen, Reagenzgläsern, Laserapparaten, Luminol und all den anderen neuesten Errungenschaften der Wissenschaft arbeitete.
»Und?«, fragte er beim Hereinkommen.
»Sehen Sie mal hier.« Der Experte der Spurensicherung, der ihn angerufen hatte, deutete mit der Hand in den leeren Sarg. Die Leiche war bereits ins gerichtsmedizinische Institut gebracht worden.
Gianni Fuschi beugte sich darüber und blickte lange hinein. »Habt ihr das gefilmt?«, fragte er beim Aufrichten.
»Nein, aber Fotos gemacht, jede Menge.«
»Nehmt es zusätzlich mit dem Camcorder auf, auch aus nächster Nähe. Dann sichert das Material in einer Beweismitteltüte.« Fuschi ging hinaus in den Flur, zog sein Handy hervor und wählte Ferraras Nummer.
In dem Sarg, an der Stelle, wo die Füße der Toten geruht hatten, befand sich etwas, das nicht dort hingehörte und offenbar mit Absicht hinterlassen worden war. Aus welchem Grund auch immer. Eine fast vollständig verbrannte Substanz, allem Anschein nach Tabak.
»Michele?«
»Ich höre, Gianni.«
»Wir sind hier fertig, aber es gibt etwas, das du jetzt gleich wissen solltest.«
»Was?«
»Ich kann es noch nicht mit Sicherheit sagen, also nimm es bitte mit Vorbehalt zur Kenntnis. In dem Sarg, unter den Füßen der Verstorbenen, befand sich etwas, das verbrannter Tabak sein könnte.«
»Tabak?«
»Ja, Tabakblätter.«
Ferrara schwieg.
»Michele, bist du noch dran?«
»Ja.«
»Rauchst du immer noch deine Zigarren?«
»Ja.«
»Also, es könnten Tabakblätter von einer Zigarre sein, aber wir sollten das Untersuchungsergebnis abwarten.«
»Die
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