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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Prolog: Sie sind doch … (heute)
     
    »Hier rechts«, sagte ich, aber der Taxifahrer hatte längst den Blinker gesetzt. Meine Anweisung quittierte er mit einem kurzen, fast arroganten Lächeln via Rückspiegel, das, wie schon einige Male zuvor, in eine Mimik gebettet war, die verriet, wie sehr es zugleich in ihm rumorte. Er dachte darüber nach, ob er fragen sollte. Er würde es tun, spätestens beim Bezahlen. In neunundneunzig Prozent der Fälle fragten sie.
    Links vor ihm an der Frontscheibe klebte, mit Saugnäpfen befestigt, eine Phalanx von Navigationsgeräten und sogenannten Smartphones – kleinen Computern, mit denen man auch telefonieren konnte, wenn man sich viel Mühe gab und dabei nicht versehentlich mit der Schläfe den Tatsch-Bildschirm berührte. In seinem rechten Ohr hing eine Gerätschaft, die ihm das Freisprechen gestattete, aber wie ein missratenes, viel zu großes Hörgerät aussah und trotz des futuristischen Designs nicht davon ablenken konnte, dass es sich um Technik handelte, die aus denkenden, freien Menschen Vollobst machte – sogar Voll
fall
obst. Vermutlich glühte sein rechtes Ohr abends. Ich besaß kein Smartphone, ich besaß auch kein Unsmartphone, kein Eifon, kein Henndie, einfach keine von diesen Gerätschaften, die scheinanglizistisch benannt wurden, um darüber hinwegzutäuschen, dass es sich um vollständig überflüssigen Quatsch handelte, dessen deutsche Bezeichnung gelautet hätte: »Teures, schwer zu verstehendes Spielzeug mit vielen Funktionen, die Sie lebenslang niemals benötigen werden.« Mit meiner Ablehnung dieser Dinger trieb ich mein Umfeld in den Wahnsinn, vor allem György, meinen Manager. Regelmäßig tobte er, wenn ich erst Stunden später zurückrief,nachdem er mir eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Auf einem
Anrufbeantworter
. Das war mein einziges Zugeständnis, eine Maschine, die für mich aufzeichnete, was Leute – die wenigen, die meine Nummer kannten – mir zu sagen hatten, die nicht darauf warten konnten, mich direkt zu sprechen. Ich hörte die Nachrichten gelegentlich ab, meistens von Hotelzimmern aus. Ich gehörte zu der aussterbenden Gruppe von Menschen, die überhaupt noch Telefone in Hotelzimmern benutzten. Und ich liebte es. György hatte mir schon ein, zwei Dutzend dieser Dinger geschenkt, und ich hatte sie alle weggeworfen oder weiterverschenkt.
    Davon abgesehen hatte ich noch nie irgendwas Wichtiges verpasst, obwohl ich kein Mobiltelefon besaß.
    Ich fragte mich kurz, ob es wohl gestattet war, das Sichtfeld eines Taxis in dieser Weise mit redundantem Klafutzki zu pflastern. Ich meinte auch, mich daran zu erinnern, dass Taxifahrer eigentlich Straßen, Strecken und markante Punkte auswendig kennen sollten. Natürlich war das Fahrzeug außerdem mit Funk ausgestattet. Vermutlich gab es in diesem ultraleisen Mercedes-Schiff sogar Bordelektronik, die den Weg ganz ohne Fahrer gefunden hätte.
    Jetzt kam das Gebäude in Sicht. Wir befuhren einen langen Kiesweg, der zwischen hohen, dunkelgrün belaubten Bäumen zu einem kleinen Schloss führte, das irgendein Friedrich vor Jahrhunderten für irgendeine seiner Mätressen gebaut hatte. Es war kein sehr schönes Gebäude, sondern ein beigegelb angestrichenes, eher unförmiges Gemäuer, umgeben von einem kleinen Graben. Hier und da gab es Dekorzinnen, die Fenster waren klein und nach oben abgerundet, aber die Eingangspforte wirkte mächtig. Das Dach hatte man offenbar kürzlich restauriert; grauschwarze Schindeln glänzten im Sonnenlicht.
    Ich fragte mich zum ungefähr hundertsten Mal, ob ich das hier wirklich tun sollte. Es sprach deutlich mehr dagegen als dafür.
    Der Anruf hatte mich wirklich überrascht, zumal es nur wenige Menschen gab, die wussten, wie ich direkt telefonisch zu erreichen war. An einem der wenigen Abende, die ich zu Hause verbrachte, weil ich nicht gerade auf Tour, im Studio oder bei Promo-Terminen war, hatte das Telefon geklingelt, vor acht Wochen, während ich auf einem Nebenkanal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens die »Hitparade« sah. Es war eine Folge, in der Nicole kurz nach ihrem Grand-Prix-Erfolg mit »Ein bisschen Frieden« auftrat, im weißen, knielangen Leinenkleid, auf einem Barhocker sitzend, mit weißer Akustikgitarre vor der Brust, obwohl die Musik vom Band kam, aber immerhin sangen sie damals tatsächlich.
Live
. Lebend. Bisher hatte mir niemand erklären können, warum es Wendungen wie »live gesungen« gab, wenn davon die Rede war, dass

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