Was siehst du wenn du aus dem Fenster schaust
|9| Vorwort
Dies ist ein Buch über Kindheit in Deutschland, darüber, wie es Kindern in unserem Land geht. Wie ist es, heute in Deutschland aufzuwachsen? Was denken und fühlen Kinder? Was wünschen sie sich? Wovon träumen sie? Wie stellen sie sich ihre Zukunft vor?
Seit über zehn Jahren stelle ich Kindern die gleichen Fragen. Zu Anfang waren es Kinder auf der ganzen Welt. Daraus entstand 2006 mein Buch
Ich wäre gern ein Huhn – Was Kinder in aller Welt erleben und sich erträumen
. In diesem Buch nun geht es darum, was Kinder hier in Deutschland beschäftigt. Alle Gespräche sind auch als Kinderfragebogen im »Kinderspiegel«, der wöchentlichen Kinderseite des Berliner
Tagesspiegels
, erschienen.
Ich wähle die Kinder für meine Interviews nach dem Zufallsprinzip aus. Es gibt kein System, außer dass es Mädchen und Jungen zwischen sieben und dreizehn Jahren sind. Sie verbindet allein die Tatsache, dass sie alle in Deutschland aufwachsen, viele von ihnen in Berlin. Gerade in der ehemals geteilten Stadt, die heute zu den größten und lebendigsten Städten Europas gehört, treffen Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Meinungen und Lebensentwürfen aufeinander, fließen Traditionen, Sprachen und Kulturen zusammen.
Jedes Kind in diesem Buch hat seine eigene Geschichte. Viele haben mehr als eine Muttersprache. Manche stammen aus wohlhabenden Familien, andere aus armen. Die meisten leben mit ihren Eltern zusammen, manche nicht. Die Auswahl der Kinder ist nicht repräsentativ und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Doch ihre Aussagen zusammen ergeben eine aktuelle Momentaufnahme von Kindheit heute in Deutschland.
Sie zeigen uns, welche Sorgen und Ängste, Hoffnungen und Träume unsere Kinder haben. Wie Nora Antonia wünschen sich viele, dass die getrennt lebenden Eltern wieder zusammenkommen. Sie leiden wie Tino unter einem stressigen Alltag, der keine Zeit zum Innehalten lässt. Sie träumen vom Fliegen und vom Zaubern, von Stars und von den Sternen. Sie machen sich Gedanken über Gott und die Welt. Und sie sind am glücklichsten, wenn ihre Familien vereint sind, wenn die Eltern für sie da sind und sich Zeit nehmen, wenn |10| sie sich geborgen fühlen. Aus den Antworten der Kinder ergeben sich die begleitenden Thementexte. Sie greifen auf, was sie erzählen, klären Begriffe und versuchen, Hintergründe verständlich zu machen und Zusammenhänge herzustellen.
Für alle, die Lust haben, den Fragebogen einmal selbst zu beantworten, gibt es am Schluss des Buches eine Vorlage zum Ausfüllen. Neben dem Kinderfragebogen gibt es auch einen für Erwachsene. Mir macht es immer sehr viel Freude, die Antworten von Kindern und Erwachsenen miteinander zu vergleichen, denn daraus ergeben sich oft ganz besondere Gespräche, in denen Dinge zur Sprache kommen, über die sonst nicht ohne weiteres geredet wird.
So ist
Was siehst du, wenn du aus dem Fenster schaust?
nicht nur ein Buch für Kinder, sondern für uns alle. Kinder öffnen uns die Augen für die Welt, in der wir leben – und dort erkennen wir schließlich auch uns selbst.
Beatrix Schnippenkoetter
,
Berlin 2010
|11|
Wer ich bin
Meine Familie,
mein Zuhause,
meine Heimat
Ibrahim, 10 Jahre
Eltern aus dem Libanon
Ist gerne mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern zusammen
Was siehst du, wenn du aus deinem Fenster schaust? Einen Park mit Bäumen und vielen Leuten und Kindern, die Fangen spielen.
Wo ist dein Lieblingsplatz? In unse rem Hof, wo ich mit den Nachbarskindern Fußball und Verstecken spiele.
Was möchtest du in den Ferien am liebsten machen? In den Libanon fahren, meine Oma besuchen. Ich war schon dreimal da zum Schwimmen.
Welche Sprachen sprichst du? Mit meinen Eltern und fünf Geschwistern arabisch, in der Schule und mit Freunden deutsch.
Was würdest du gerne an dir ändern? Ich hätte gerne blonde Haare, wie manche Freunde von mir.
Was würdest du gerne an der Welt ändern? Dass es keine Hunde gibt, die stinkende Haufen machen.
Was würdest du gerne erfinden? Ein Auto, das auf dem Wasser und unter Wasser fährt.
Was haben dir deine Eltern aus der Zeit erzählt, als du ein Baby warst? Dass mein Bruder Mohammed (11) mir immer die Babyflasche weggetrunken hat.
Mit wem hast du dich zuletzt gestritten? Mit meinem Bruder. Wir haben uns zwei Spiele in der Bücherei ausgeliehen und jeder wollte das Spiel des anderen haben.
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