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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Carlott Fontana
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Fühlte sie sich gerade davon angezogen, von seiner völligen
Menschenverachtung? Du bist ja primitiv! sagte sie sich. Dann
erst registrierte sie bewußt das leise Schnarchen neben sich und
ihr fiel ein, daß Marco bei ihr lag und schlief. Und ihr wurde
wieder klar, in welcher Notlage sie sich befand. Lautlos und
langsam erhob sie sich. Der Steinfußboden fühlte sich kalt an
unter ihren nackten Füßen. Hatte Marco die Haustür verschlossen?
Und wenn ja, wo befand sich dann der Schlüssel? Dunkelheit
hin oder her, sie würde es jetzt versuchen. Sie würde…
    »Marion!« erklang eine klare Stimme. Licht flammte auf. Sie
drehte sich um und sah Marco aufrecht im Bett sitzen – hellwach!
»Oh… ich… es tut mir sehr leid, wenn ich dich geweckt
habe…«
    »Ich habe einen sehr leichten Schlaf«, erklärte Marco. Er sagte
das scheinbar gelassen, aber Marion verstand, daß er ihr damit
etwas Grundsätzliches mitteilen wollte: Flucht bei Nacht hat
keinen Zweck, meine Liebe! »Ich wache praktisch schon auf,
wenn nur eine Katze durchs Zimmer schleicht.«
    »Tatsächlich? Weißt du, ich… ich muß dringend auf die Toilette.
Schlaf nur weiter.« Sie huschte ins Bad. Während sie im Spiegel
ratlos ihr blasses Gesicht musterte, dachte sie wütend: Warum
muß auch jedes Fenster in diesem verfluchten Haus vergittert
sein! Das war ihr noch am Abend aufgefallen, während sie ihre
Blicke unauffällig hatte schweifen lassen. Alle Fenster waren sehr
klein und außerdem durch massive Eisengitter gesichert. Der
Kaufmann, dem das Haus gehörte, mußte eine große Furcht vor
Einbrechern hegen. Tatsache war: Außer durch die Tür kam sie
hier nirgends hinaus.
    Nach der angemessenen Zeit betätigte sie die Spülung und verließ
dann das Bad. Sie hatte sich beinahe schon gedacht, daß
Marco sie belauern würde. Er hatte tatsächlich das Bett verlassen
und machte sich an einem Schrank zu schaffen, der in unmittelbarer
Nähe der Badezimmertür stand. »Ich glaube, da rascheln
Mäuse drin«, murmelte er, was eine absolut durchsichtige Ausrede
war, denn weshalb sollten ihn die Mäuse um zwei Uhr in der
Nacht interessieren. Marion kroch wortlos ins Bett zurück und
rollte sich zusammen. Sie mußte den Tag abwarten.
     
    Am nächsten Morgen verkündete Marco, er werde nach Marrakesch
fahren und seinen Vater telegrafisch um Geld bitten. »Außerdem
werde ich einkaufen«, sagte er. »Hast du einen Wunsch,
Liebling? Soll ich dir etwas mitbringen?«
    »Kann ich nicht mitkommen?« fragte Marion so harmlos wie
möglich. »Es macht doch am meisten Spaß, zusammen einzukaufen!
« Sofort verfinsterte sich Marcos Miene. »Nein«, sagte er
bestimmt. »In Marrakesch würde es dir bestimmt keinen Spaß
machen. Die Stadt ist heiß, laut und überfüllt. Du bleibst besser
hier und ruhst dich aus. Und wartest auf mich. Ich bringe dir ja
alles, was du willst. Was möchtest du haben?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Marion verzweifelt. »Keine Ahnung!
«
    Sie frühstückten stumm zu Ende. Marcos gute Laune hatte sich
verflüchtigt; er hatte in Marions Bitte, ihn begleiten zu dürfen,
eine Heimtücke gewittert.
    »Wie willst du überhaupt nach Marrakesch kommen?«
erkundigte sich Marion schließlich. »Zu Fuß ist es doch viel zu
w»eNit!a«t ürlich gehe ich nicht zu Fuß, was denkst du denn! In der
Garage steht ein Auto, das werde ich nehmen. Man mietet es hier
automatisch mit.«
    »Ach so. Wie praktisch. Naja…«, sie bemühte sich, ihrer Stimme
einen gelassenen Klang zu geben, »dann läßt du mich also
allein! Aber bleib nicht so lange! Du weißt, ich vermisse dich
furchtbar.« Besänftigt nahm Marco sie in die Arme. »Ich beeile
mich, Mäuschen. Was meinst du, wieviel Spaß es mir macht,
zurückzukommen, wenn ich weiß, du wartest hier auf mich!«
    Er verließ das Haus. Sie konnte hören, wie er sorgfältig die Tür
verschloß. Dreimal drehte er den Schlüssel um. Schwein! Sie
rannte ans Fenster und schaute dem Auto nach, das auf dem
staubigen Weg verschwand. Ein schwarzer Wagen, Marco sah
darin bestimmt aus wie ein Mafia-Boß. Sie lief zur Tür und rüttelte
an der Klinke, aber erwartungsgemäß tat sich nichts. Schreien
hatte keinen Sinn. Draußen dehnte sich meilenweit ödes Land,
sandig und mit dünnem Steppengras bewachsen. Kein Mensch
weit und breit. Ich könnte hier verfaulen, dachte sie, es würde
niemand bemerken!
    Der Tag verging quälend langsam, Marion legte sich schließlich
wieder ins

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